I. Die Eltern und das Kind M. sind deutsche Staatsangehörige. Die Eltern hatten unverheiratet zusammengelebt. Ihre Trennung erfolgte im Juli 2014. Seither lebt M. bei der Mutter, die wieder verheiratet ist und in ihrer neuen Familie den evangelischen Glauben praktiziert. Der Vater ist türkischer Abstammung, in Deutschland geboren und besitzt seit 2006 die deutsche Staatsangehörigkeit. Er arbeitet seit 13 Jahren bei demselben Unternehmen als Versand- und Lagerarbeiter. Der Vater neigt dem mohammedanischen Glauben zu, zieht das türkische dem deutschen Essen vor und lehnt das Essen von Schweinefleisch ab. Er ist beschnitten und wünscht dies auch von seinem Sohn, ohne dies durchsetzen zu wollen.

Es besteht die gemeinsame elterliche Sorge für M., die die Eltern noch vor der Geburt des Kindes durch Abgabe entsprechender Sorgeerklärungen gewählt haben.

Die Mutter hat ursprünglich die elterliche Sorge für M. begehrt, da die Eltern bezüglich der religiösen und kulturellen Entwicklung des Kindes nicht zusammenarbeiten könnten. M. solle im christlichen Glauben erzogen und getauft werden und in der Schule am evangelischen Religionsunterricht teilnehmen. Die Mutter macht geltend, dass M. während des Umganges mit dem Vater von diesem gegen den christlichen Glauben eingestellt und zugunsten muslimischer Glaubensgrundsätze beeinflusst werde.

Zuletzt hat die Mutter beantragt, ihr das Recht zur Entscheidung über die Religionszughörigkeit für M. zu übertragen.

Der Vater hat Antragszurückweisung beantragt. Er sieht keinen Anlass für eine frühzeitige Festlegung der Religionszugehörigkeit des Kindes.

Durch den angegriffenen Beschluss hat das Familiengericht der Mutter das Recht zur Entscheidung über die Religionszugehörigkeit für M. übertragen. Auf die Beschlussgründe wird Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingegangene Beschwerde des Vaters. Der Vater meint, der angegriffene Beschluss verstoße gegen das Gesetz über die religiöse Kindererziehung und Art. 14 UN-Kinderrechtskonvention. Eine Entscheidung über die Religionszugehörigkeit des Kindes sei in Anbetracht dessen geringen Alters nicht erforderlich, auch wenn Mutter und Vater das Kind je in ihre eigene Religion einführten. Der Vater wünscht sich religiöse Toleranz der Eltern; dies würde auch den zwischen ihnen bestehenden Konflikt entschärfen. …

Die Mutter weist darauf hin, dass die jetzige Entscheidung über die Religionszugehörigkeit des Kindes nicht endgültig und lebenslang sei. Die unterschiedliche Orientierung der Eltern führe das Kind in einen immer größer werdenden Konflikt. Da das Kind bei der Mutter lebe, entspreche es dem Kindeswohl, dass das Kind demselben Glauben angehöre wie die Mutter.

Der Verfahrensbeistand berichtet, dass M. aufgrund seines Alters zu religiösen Inhalten keine Stellung nehmen könne. Beide Elternteile seien bestrebt, ihm ihre Religion nahe zu bringen. Nach Aussagen der Mutter führe dies zu Auffälligkeiten bei M., insbesondere beim Beten. Der Verfahrensbeistand befürchtet angesichts der Haltung der Eltern massive innere Konflikte des Kindes aufgrund eines jahrelangen Machtkampfs der Eltern. Deshalb sei die von dem Familiengericht getroffene Entscheidung dem Kindeswohl entsprechend.

Der Senat hat mit Beschl. v. 22.10.2015 die Vollziehung des angegriffenen Beschlusses des Familiengerichts vorläufig ausgesetzt.

II. Die gem. §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Vaters ist begründet. Es besteht derzeit kein Anlass, aus Gründen des Kindeswohls eine Entscheidung über dessen Religionszugehörigkeit zu treffen.

Können sich Eltern in einer einzelnen Angelegenheit der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht gem. § 1628 BGB auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Religionszugehörigkeit eines Kindes und damit auch seine Taufe sind für das Kind von erheblicher Bedeutung, weshalb der Antrag der Mutter zulässig ist. Eine auch nur teilweise Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist deswegen nicht erforderlich (BGH FamRZ 2005, 1167).

Der Antrag der Mutter ist nicht begründet, da derzeit eine Entscheidung über die religiöse Erziehung des Kindes M. nicht geboten ist.

Art. 6 Abs. 2 GG gewährleistet das Recht der Eltern auf Erziehung des Kindes auch in weltanschaulich-religiöser Hinsicht. Dieses Recht genießt zusätzlich den Schutz der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG). Da die Elternrechte beider Eltern gleichwertig sind, kann nur das Kindeswohl einen Eingriff in das Elternrecht des jeweils benachteiligten Elternteils rechtfertigen. Eine staatliche Entscheidung, die das Elternrecht beeinträchtigt, aber nicht dem Wohl des Kindes dient, verletzt deshalb Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Dabei muss auch das Kind in seiner Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt werden (Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, Art. 6 Rn 126 (Mai 2013)). Können sich die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern über die religiöse Erziehung ihres Kindes nicht einige...

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