I. Einführung

1. Grundlagen

Zu der durch die Gesetzesreform zum 1.1.2008 geänderten Rechtslage – Regel-Ausnahme-Prinzip von Basisunterhalt für drei Jahre (§§ 1570 Abs. 1, 1615l Abs. 2 S. 3 BGB) und den Verlängerungsmöglichkeiten aus kindbezogenen Gründen (§ 1570 Abs. 1 S. 2 BGB) und aus Gründen der nachehelichen Solidarität (§ 1570 Abs. 2 BGB) bzw. aus elternbezogenen Gründen (§ 1615l Abs. 2 S. 4 BGB) – wird auf den Beitrag aus dem Jahr 2009[1] verwiesen, hinsichtlich der anschließenden Entwicklung der Rechtsprechung auf die Beiträge aus den Jahren 2010 und 2011.[2]

[1] Born, FF 2009, 92.
[2] Born, FF 2010, 179 ff., 231 ff.; ders., FF 2011, 431 ff.

2. Unterhaltsrechtliche Leitlinien

Inzwischen[3] sind die unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte weitgehend angeglichen worden. Feste Altersgrenzen sind – entsprechend der Abschaffung des früheren "Altersphasenmodells" durch Gesetzgeber und Rechtsprechung[4] – fallengelassen worden.[5] Im konkreten Einzelfall empfiehlt es sich, in den Leitlinien des jeweiligen OLG-Bezirks nachzusehen; denn die Regelungen fallen – über die in § 1570 Abs. 1 S. 3 BGB erwähnten "Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kindesbetreuung" hinaus – in Ziffer 17.1 der Leitlinien durchaus unterschiedlich aus:

Vielfach[6] wird nur wenig mehr als der Gesetzestext wiedergegeben; teilweise[7] werden Alter und Anzahl der Kinder als Abwägungskriterium konkret erwähnt.
Etwas weitergehend werden in anderen Leitlinien eine besondere Betreuungsbedürftigkeit und der Aspekt der nachehelichen Solidarität erwähnt,[8] ergänzend wird – neben Alter und Zahl der Kinder – auf die Berücksichtigung etwaiger Schulprobleme hingewiesen.[9]
Noch detaillierter sind die Regelungen derjenigen Oberlandesgerichte,[10] die ausdrücklich zwischen kindbezogenen und elternbezogenen Gründen unterscheiden und dort jeweils verschiedene Aspekte konkret aufführen, bei den kindbezogenen Gründen z.B. das Fehlen kindgerechter Betreuungsmöglichkeiten oder die Auswirkung von Krankheiten, welche durch die Betreuung in der Einrichtung nicht aufgefangen werden können;[11] erwähnt wird außerdem der Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung[12] sowie der Aspekt der überobligatorischen Belastung durch die Notwendigkeit der Vereinbarung von Berufstätigkeit und Kindesbetreuung.[13]
[3] Zur Entwicklung der unterhaltsrechtlichen Leitlinien in diesem Bereich s. die Voraufsätze, Born, FF 2010, 179; 2011, 431 unter I. 2.
[4] S. dazu Dose, FPR 2012, 129; Schilling, FuR 2012, 454; Heiderhoff, FamRZ 2012, 1604; Erbarth, FamRZ 2012, 340; Born, NJW 2012, 3004.
[5] Zusammenstellung der Leitlinien unter www.heiss-born.
[6] Bremen, Oldenburg, Süddeutsche Leitlinien, Brandenburg.
[7] Dresden, Rostock.
[8] Hamburg.
[9] Naumburg.
[10] Hamm, KG Berlin, Celle, Frankfurt.
[11] So Frankfurt/Main.
[12] Hamm.
[13] Frankfurt/Main, Schleswig.

II. Aktuelle Rechtsprechung

1. BGH

Der BGH hat seine – bereits im Frühjahr 2009 begonnene – Linie fortgesetzt, wonach allen Überlegungen in Richtung eines "modifizierten Altersphasenmodells" eine Absage erteilt werden muss;[14] diese Linie hat sich weiter verfestigt.

[14] S. dazu BGH, Urt. v. 18.3.2009 ("Asthma"), NJW 2009, 1876 = FamRZ 2009, 770 m. Anm. Borth; s. dazu Metz, NJW 2009, 1855 sowie die Darstellung im Voraufsatz, Born, FF 2010, 179, 180 unter II. 1. a).

a) Beschluss vom 18.4.2012 ("Drei Kinder und Fahrdienst")

Aus der 1992 geschlossenen Ehe der Beteiligten waren drei Kinder hervorgegangen, die im September 1992, im Dezember 1994 und im September 1997 geboren wurden. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem OLG (März 2010) waren alle Kinder noch minderjährig und lebten im Haushalt der Kindesmutter. Die Eheleute trennten sich im Oktober 2006, die Scheidung ist seit 1.10.2009 rechtskräftig. Vor der Heirat hatte die 1964 geborene Ehefrau eine Ausbildung zur Krankenschwester abgebrochen. Aktuell erteilt sie am Nachmittag Klavierunterricht; nach der Trennung hat sie eine Zusatzausbildung zur Rhythmiklehrerin gemacht.

Nach ausführlicher Darstellung der im Rahmen von § 1570 BGB relevanten Grundsätze und dem Hinweis auf die Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltsberechtigten für die Voraussetzungen einer Anspruchsverlängerung über die "Basiszeit" von 3 Jahren hinaus stellt der BGH unter Hinweis auf eine frühere Entscheidung[16] fest, dass insbesondere an die Darlegung von kindbezogenen Gründen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürften. Besondere Bedürfnisse des Kindes (z.B. sportliche, musische oder andere Beschäftigungen) seien zu beachten, gerade auch im Hinblick auf die in diesem Zusammenhang vom Berechtigten zu erbringenden Fahr- und Betreuungsleistungen. Daneben seien schulische Anforderungen an die Mitarbeit der Eltern (z.B. Hausaufgabenbetreuung, Klassenpflegschaft usw.) zu berücksichtigen, wobei der Unterhaltsberechtigte dies konkret vorzutragen habe. Was die Befugnis zu einer unveränderten Fortsetzung von Aktivitäten angehe, müsse im Ausgangspunkt darauf abgestellt werden, in welcher Form diese (vom Kind und den Eltern) schon zu Zeiten des Zusammenlebens durchgeführt worden seien; eine Begrenzung sei insoweit zu berücksi...

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