Bereits zum dritten Mal in diesem Jahr beschäftigt sich der BGH mit dem Härtegrund der verfestigten Lebensgemeinschaft nach § 1579 Nr. 2 BGB.[1]

Im vorliegenden Fall ging es um eine langwierige, seit Ende 2000 bereits bestehende, distanzierte Lebensgemeinschaft der geschiedenen unterhaltsberechtigten Ehefrau.

Die Eheleute hatten 1979 die Ehe geschlossen, im Jahre 1999 wurde der Scheidungsantrag zugestellt, so dass man von einer 20 Jahre alten Ehe ausgehen kann. Aus der Ehe waren 3 gemeinsame Kinder hervorgegangen, deren Betreuung und Erziehung die Ehefrau übernommen hatte. Im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens (2002) wurde ein Vergleich geschlossen, der zu Unterhaltszahlungen für den geschiedenen Ehemann in Höhe von 422 EUR führte.

Bereits 2005 hatte der geschiedene Ehemann versucht, im Rahmen einer Abänderungsklage wegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft der geschiedenen Ehefrau mit ihrem neuen Partner den Wegfall des Unterhaltsanspruchs nach § 1579 Nr. 7 BGB (alter Fassung) durchzusetzen. Dies ist seinerzeit nicht gelungen. Die Unterhaltsabänderungsklage wurde rechtskräftig abgewiesen. Das OLG Düsseldorf hatte dann in dem 2009 geführten Verfahren die Auffassung vertreten, dass der Einwand der Verwirkung wegen verfestigter Lebensgemeinschaft aufgrund des rechtskräftigen Urteils vom 25.5.2005 ausgeschlossen sei. Allerdings hatte das OLG Düsseldorf über § 1578b BGB eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs in verschiedenen Stufen vorgesehen.

Ab 1.1.2013 sollte der Unterhaltsanspruch der Klägerin endgültig wegfallen.

In dem Verfahren vor dem BGH hatte sich der geschiedene Ehemann mit der Revision gegen die Unterhaltsverpflichtung für die Zeit von Januar 2008 bis Dezember 2012 gewehrt. Dem Revisionsantrag ist entsprochen worden, d.h. das OLG Düsseldorf darf sich mit dem Fall noch einmal unter dem Gesichtspunkt des § 1579 Nr. 2 BGB befassen.

Zunächst rügt der XII. Zivilsenat, dass das OLG Feststellungen zum Krankheitsunterhalt unterlassen hat, so dass als Anspruchsgrundlage für den BGH nur Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB in Betracht kommt.

Das Amtsgericht war von einer distanzierten Lebensgemeinschaft ausgegangen, da die Partner zwar im gleichen Haus, aber in getrennten Wohnungen lebten und eigene Haushalte unterhielten. Diese Lebensgemeinschaft bestand seit Ende 2000, es gab eine enge intime Beziehung, wenn auch keine eheähnliche Wirtschaftsgemeinschaft.

Im ersten Abänderungsverfahren 2005 bestand diese Lebensgemeinschaft bereits 4,5 Jahre. In dem zweiten Abänderungsverfahren, in dem der geschiedene Ehemann 2008 den Wegfall der Unterhaltsverpflichtung ab Januar 2008 beantragt hatte, bestand die intime Beziehung zu dem Lebensgefährten weiter. Insofern waren inzwischen mehr als 10 Jahre ins Land gegangen. Der BGH hat zu Recht darauf hingewiesen, dass bei dieser langen Dauer der Verbindung der Schluss auf eine verfestigte Lebensgemeinschaft naheliegt. Hinzu kommt, dass weitere Indizien vorgetragen worden sind, nämlich, dass es gemeinsame Tanzsportaktivitäten der Partner gab, die offenbar das Erscheinungsbild einer verfestigten Lebensgemeinschaft in der Öffentlichkeit zusätzlich abstützten. Demzufolge war der Einwand der Präklusion bezogen auf das rechtskräftige Urteil vom Mai 2005 "nicht durchschlagend".

Konsequent ist deshalb das Urteil aufgehoben worden, weil die Möglichkeit des § 1579 BGB mit der Versagung des Unterhaltsanspruchs wesentlich weiter geht, als die durch die Unterhaltsrechtsreform 2007 geschaffene neue Vorschrift des § 1578 BGB mit Herabsetzung und zeitlicher Begrenzung nach § 1578b BGB, wobei dann auch noch ehebedingte Nachteile vorliegen müssen.

Festzuhalten ist Folgendes:

  1. Bei einer langdauernden eheähnlichen Lebensgemeinschaft ist die Dauer ein ganz wichtiges Indiz für die Annahme einer verfestigten Lebensgemeinschaft.
  2. Bei einer derartig langen eheähnlichen Lebensgemeinschaft, auch wenn sie als distanzierte Lebensgemeinschaft geführt wird, ist eine Präklusion ausgeschlossen, wenn neue Indizien, insbesondere für das Erscheinungsbild dieser Lebensgemeinschaft vorgetragen werden (im vorliegenden Fall Tanzsportaktivitäten, die in den örtlichen Zeitungen dokumentiert waren).
  3. Die beiden Begrenzungsvorschriften § 1578b BGB und § 1579 BGB schließen sich gegenseitig nicht aus:

    § 1579 führt zu Beschränkung oder Versagung des nachehelichen Unterhalts wegen grober Unbilligkeit auf der Grundlage der dort genannten Versagungstatbestände.

    § 1578b BGB sieht nur eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen bei abnehmender nachehelicher Solidarität und fehlendem ehebedingtem Nachteil vor.

  4. Auch in dem Urteil des BGH vom 8.6.2011[2] hat der BGH den Gesichtspunkt der Präklusion vor allem bei langdauernder eheähnlicher verfestigter Lebensgemeinschaft ausgeschlossen (14 Jahre Dauer).

Klaus Schnitzler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Euskirchen

[1] 1. Urteil: BGH vom 30.3.2011, FF 2011, 251 = FamRZ 2011, 791; 2. Urteil: BGH, vom 13.7.2011, Wiederauf...

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