Bei näherer Betrachtung zeigt sich zudem, dass die Zuverlässigkeit der Prognose durchaus auch vom Ablauf des Verfahrens und vom Zeitpunkt der Entscheidung beeinflusst wird.

Beispielsfall:

Kind 1 (K 1) wird geboren im Jahre 2016, Kind 2 (K 2) am 2.1.2019.

Der von der Mutter von K 2 beauftrage Anwalt schickt unmittelbar nach dessen Geburt am 5.1.2019 eine Aufforderung zur Auskunft im Hinblick auf die Festsetzung seines Unterhaltes an den Kindesvater. Nach Erteilung der Auskunft berechnet der Anwalt von K 2 dessen Unterhalt ohne Berücksichtigung von K 1 und fordert entsprechende Zahlung, die aber nicht erfolgt.

Mit seiner am 30.6.2019 zugestellten Antragsschrift macht er den entsprechenden Unterhaltsbetrag geltend als Rückstand ab Geburt von K 2 im Januar 2019 und für die Zukunft.

Das Gericht entscheidet nach mündlicher Verhandlung vom 30.9.2019 durch am Ende der Sitzung verkündeten Beschluss.

Der Beispielsfall verdeutlicht, dass in der Praxis eigentlich drei Zeitabschnitte zu betrachten sind:

Phase 1: Von der Geburt des Kindes K 2 bis zur gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs (Zustellung am 30.6.2019), also Januar 2019 bis Juni 2019.
Phase 2: Vom Beginn des gerichtlichen Verfahrens bis zur am Tag des Termins verkündeten Entscheidung (also Juli bis September 2019).
Phase 3: Für den dann noch anschließenden zukünftigen Zeitraum ab Oktober 2019.

Daraus ergeben sich folgende Überlegungen:

Bei Phase 1 handelt es sich schon bei der Antragstellung um rückständigen Unterhalt. Folglich müssen die Voraussetzungen der Durchsetzung von rückständigem Unterhalt für K 2 gegeben sein. Dies ist im Beispielsfall durch das Auskunftsverlangen vom 5.1.2019 geschehen (§ 1613 BGB).

Für Phase 2 ist zu differenzieren:

Bei Antragseingang sind alle Ansprüche, die nach diesem Zeitpunkt liegen, als zukünftiger Unterhalt zu betrachten. Daher muss bei Antragseingang für die Begründung der Ansprüche ab Juli 2019 bereits die erforderliche Prognose vorgenommen werden. Erforderlich ist hier ausreichender anwaltlicher Sachvortrag zum Unterhalt von K 1. Die Darlegungslast trägt der Unterhaltspflichtige, der sich damit auf die Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit beruft. Er muss für diese Prognose konkrete Umstände, etwa seine Unterhaltsleistungen in der Vergangenheit, darlegen und ggf. beweisen, die die Annahme rechtfertigen, der zusätzlich geschuldete Unterhalt werde in der behaupteten Höhe auch tatsächlich gezahlt.[26]
Im Zeitpunkt der Entscheidung am 30.9.2019 stellen aber die von Juli bis September aufgelaufenen Unterhaltsansprüche bereits Unterhaltsrückstände dar, sodass hier für diesen Zeitraum auf die tatsächliche Situation abzustellen ist.

Für Phase 3 muss das Gericht in seiner Entscheidung die oben beschriebene Prognose vornehmen, wie die Umstände in der Zukunft zu bewerten sind. Hier kommt es einmal auf das tatsächliche Verhalten des Unterhaltspflichtigen in Phase 1 an. Besondere Bedeutung für die Begründung der Prognose zu Phase 3 hat aber dessen tatsächliches Verhalten in Phase 2, das als wichtiges Indiz für das weitere Verhalten anzusehen ist. So wie der Unterhaltspflichtige sich im Rahmen eines laufenden Gerichtsverfahrens verhält, wird er sich vermutlich auch in Zukunft verhalten. Ohne überzeugenden abweichenden Sachvortrag, der im Streitfall auch nachgewiesen werden muss, geht die Prognose eher in Richtung "es werde so bleiben wie in der Vergangenheit". Wenn er also sein früheres Verhalten selbst unter dem Eindruck des gerichtlichen Verfahrens nicht ändert, besteht ohne besondere Umstände keinerlei Veranlassung für die Annahme, er werde dies in Zukunft tun.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge