10 Jahre nach der Unterhaltsrechtsreform

I. Rückblick auf die Entstehungsgeschichte des § 1579 BGB in der derzeit geltenden Fassung

Nach der umfassenden Ehe- und Familienrechtsreform zum 1.7.1977 wurde parallel zu der positiven Billigkeitsvorschrift des § 1576 BGB der § 1579 BGB als negative Härteklausel in das BGB hineingebracht. Diese Vorschrift ist auch über die Verweisung von Anfang an nach § 1361 Abs. 3 BGB i.V.m. § 1579 Nr. 2–4 BGB damals schon beim Trennungsunterhalt möglich gewesen.

Der Gesetzgeber war sich darüber im Klaren, dass man im Zusammenhang mit der unterhaltsrechtlichen Härteklausel ohne Billigkeitsvorschrift nicht auskam. Die Vorstellung "mit schmutzigen Dingen einer zerbrochenen Ehe brauche sich ein sauberes Gericht nicht mehr zu beschäftigen" konnte nur am grünen Tisch ausgedacht werden.[1]

Die Ursprungsfassung enthielt

die Nr. 1 (Ehe von kurzer Dauer);
die Nr. 2 (der Berechtigte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen schuldig gemacht hat);
die Nr. 3 (der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat);
die Nr. 4 (ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nummern 1–3 aufgeführten Gründe).

Bereits zum 1.4.1986 kam es zum ersten Unterhaltsrechtsänderungsgesetz und dann 2007 zum zweiten Unterhaltsrechtsänderungsgesetz, das seit 1.1.2008 in Kraft getreten ist.

Bezogen auf den Zeitraum bis 31.12.2007 ist die Nr. 1 abgeändert und klarer gefasst worden. Insbesondere die Nr. 2 als verfestigte Lebensgemeinschaft wurde neu in den Katalog der Verwirkungstatbestände aufgenommen. Gleichzeitig wurden dann die Ziffern 3–7 nach hinten geschoben, sodass sich jetzt insgesamt acht Härtegründe ergeben.[2]

Die Professoren Schwab[3] (Uni Regensburg) und Hohloch[4] (Uni Freiburg) sahen die neue Vorschrift kritisch, weil der Nutzeffekt durch die Neufassung der Nr. 2 überschaubar sei.

Die Praktiker konnten dem Entwurf durchaus positive Gesichtspunkte abgewinnen. Es geht nämlich nicht um Schuldzuweisungen oder um Fehlverhalten, das sanktioniert werden soll, schon gar nicht um Eheführungskontrolle, sondern um objektive Kriterien, die noch im Einzelnen aufgeführt werden müssen.[5]

Diese Neuregelung, insbesondere beim § 1579 Nr. 2 BGB, hat sich bewährt.

Im Zuge der Neuregelung wurde vor allem auch festgelegt, dass die Nummern 1 und 2 objektive Gesichtspunkte enthalten sollten, während die Nummern 3–7 und 8 vorwerfbares Fehlverhalten des Unterhaltsberechtigten erfassen sollten.

[1] So schon Bosch, FamRZ 1977, 577, ähnlich Diederichsen, NJW 1977, 353 (358).
[2] Menne/Grundmann, Das neue Unterhaltsrecht, 2008, S. 68 f.; Schnitzler, in: Götz/Schnitzler, 40 Jahre Familienrechtsreform, 2017, S. 50 ff.
[3] Schwab, Zur Reform des Unterhaltsrechts, FamRZ 2005, 1417 (1420).
[4] FF 2005, 217, Beschränkung des nachehelichen Unterhalts im Entwurf eines Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes.
[5] Vgl. Grandel, Das neue Unterhaltsrecht, Genese- und Kernpunkte – Ein Überblick aus rechtspolitischer Perspektive, FF 2008, 11 ff. und Bosch, Die wesentlichen Änderungen im neuen Unterhaltsrecht, FF 2007, 293 ff.

II. § 1579 Nr. 1 BGB (kurze Ehe)

Zunächst ist von der Dauer der Ehe auszugehen. Wenn die kurze Ehedauer festgestellt worden ist, ist dann im Rahmen der umfassenden Billigkeitsabwägung zu prüfen, inwieweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines vom Berechtigten betreuten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig ist. Die Betreuungszeit ist also nicht der Ehedauer hinzuzurechnen.

Nach der inzwischen gefestigten BGH-Rechtsprechung ist eine Ehezeit von nicht mehr als zwei Jahren in der Regel kurz, eine solche von mehr als drei Jahren hingegen nicht mehr als kurz zu bezeichnen.[6]

Entscheidendes Kriterium für eine kurze Ehedauer (gerechnet von der standesamtlichen Trauung bis zur Zustellung des Scheidungsantrages) ist vor allem, inwieweit die Ehegatten ihre Lebensführung bereits aufeinander eingestellt und in wechselseitiger Abhängigkeit auf ein gemeinsames Lebensziel ausgerichtet haben.

In seiner Entscheidung aus dem Jahr 1999[7] hat der BGH ausdrücklich festgestellt, dass bei einer fünfeinhalbjährigen kinderlosen Ehe nicht mehr von einer kurzen Ehe gesprochen werden kann. Außerdem sei eine zeitliche Begrenzung der Unterhaltsverpflichtung in Anlehnung an die Dauer der Ehe im Gesetz nicht vorgesehen. Das Gesetz gehe vielmehr von einer lebenslangen Unterhaltsverpflichtung aus.

Zusammenfassend lässt sich feststellen:

kurze Ehedauer in der Regel bis drei Jahre;
eine Ehedauer von mehr als drei Jahren ist nicht mehr ohne Weiteres als kurz zu bezeichnen;
bis zu fünf Jahren kann eine kurze Ehedauer gegeben sein, aber nur bei ganz besonderen Umständen.

Kindererziehungszeiten:

Auch wenn aus einer kurzen Ehe Kinder hervorgegangen sind, ist grundsätzlich zunächst von der tatsächlichen Ehedauer auszugehen.

Die Neufassung von 2008 (UÄndG) beinhaltet eine klarere Regelung. Hierbei wurde auf die Rechtsprechung des BVerfG aus dem Jahre 1989 Bezug genommen. Die frühere Formulierung war wenig geglückt.

Die Vorschrift nach dem 1.1.2008...

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