Im Hinblick auf die Erziehungseignung stellt der Senat auf die "Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern" (Rn 25) ab. Dabei handelt es sich freilich um die Grundvoraussetzung für die gedeihliche Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge ohne oder nach einer Beziehung überhaupt, ohne dass damit Spezifika des Wechselmodells angesprochen wären. Insoweit besteht auch – anders als im Hinblick auf das Wechselmodell – ein gesetzliches Leitbild zugunsten der gemeinsamen Ausübung der elterlichen Sorge.[5] Der Senat hat hierzu an anderer Stelle ausgeführt, die gemeinsame elterliche Sorge sei trotz dieses Leitbildes nicht anzuordnen, wenn eine schwerwiegende und nachhaltige Störung auf der Kommunikationsebene der Eltern vorliegt, die befürchten lässt, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind folglich erheblich belastet würde, würde man die Eltern zwingen, die Sorge gemeinsam zu tragen. Das sei dann der Fall, wenn die Eltern nicht in der Lage sind, sich in der gebotenen Weise sachlich über die Belange des Kindes auszutauschen und auf diesem Wege zu einer gemeinsamen Entscheidung zu gelangen.[6] Zudem betont der Senat zutreffend, dass die auf die schwerwiegende und nachhaltige Störung auf der Kommunikationsebene der Eltern zurückzuführende Belastung des Kindes nicht bereits tatsächlich bestehen muss, um die Begründung gemeinsamer elterlicher Sorge ablehnen zu müssen. Es genügt vielmehr die begründete Befürchtung, dass es zu einer solchen Belastung kommt, weil die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen. Denn ein fortgesetzter destruktiver Elternstreit führt für ein Kind zwangsläufig zu erheblichen Belastungen.

Mit Blick auf die Anordnung eines Wechselmodells sind dementsprechend höhere Anforderungen zu stellen, weil die Gefahr kindlicher Loyalitätskonflikte noch höher ist. Außerdem besteht ein erhöhter Kooperations- und Kommunikationsbedarf, denn es bedarf nicht nur einer gemeinsamen Entscheidung der für das Leben des Kindes grundlegenden Fragen und der Organisation von Umgangskontakten, sondern eines ständigen Austauschs über Wohlbefinden und Bedürfnisse des Kindes und ständiger Abstimmung über die Lebensorganisation des Kindes im Hinblick auf Kindergarten, Schule, Freunde, Freizeitaktivitäten etc. Hinzu tritt ein weiterer ganz entscheidender Faktor (vgl. Rn 30): Beide Eltern müssen einen Grundkonsens in wesentlichen Erziehungsfragen haben und sich darüber bewusst sein, dass ohne einen solchen die Entwicklung des Kindes, das sich nicht wechselnden Erziehungsstilen anpassen müssen soll, erheblich gefährdet ist. Ganz wichtig, betont der Senat gegen andere Stimmen:

Zitat

"die Anordnung des Wechselmodells [ist] grundsätzlich ungeeignet, die im Konflikt befangenen Eltern dadurch zu einem harmonischen Zusammenwirken in der Betreuung und Erziehung des Kindes zu veranlassen". (Rn 31)

Ein Leben im Wechselmodell ist – beruhend auf elterlichem Konsens oder familiengerichtlicher Anordnung – zudem nur möglich, wenn weitere grundlegende Voraussetzungen erfüllt sind, wie auch der Senat darlegt (Rn 30). Beide Elternteile müssen in sehr enger räumlicher Nähe zueinander wohnen; die Erreichbarkeit von Schule und Betreuungseinrichtungen muss gewährleistet sein. Hinzu kommt: Die Eltern müssen ihre Erwerbstätigkeit betreuungskompatibel gestalten, was oft mit Einkommenseinbußen verbunden ist. Natürlich müssen auch die jeweiligen Wohnungen groß genug sein – ebenfalls ein erheblicher Kostenfaktor. Bevor man über Gerechtigkeit zwischen den Eltern reden kann, sind zum Wohl des Kindes also erst einmal zahlreiche Bedingungen zu erfüllen.[7] Bereits an dieser Stelle wird noch einmal deutlich: Es geht bei der Frage nach der gerichtlichen Anordnung eines Wechselmodells um ganz wenige Ausnahmefälle, in denen diese Bedingungen trotz fehlenden Elternkonsenses gegeben sind.

[5] Eingehend hierzu Etzold/Löhnig, NZFam 2016, 769.
[6] BGH NZFam 2016, 795.
[7] Vgl. Löhnig, NZFam 2016, 817.

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