Gerd Uecker

Beide Ehegatten sind zunächst gemeinschaftliche Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks. Es kommt zur Trennung. Ein Ehegatte erwirbt von dem anderen den Miteigentumsanteil. Der weichende Ehegatte erhält als Surrogat die Befreiung von gemeinschaftlichen Hausdarlehen und einer dem Wert des hälftigen Miteigentumsanteils entsprechende Restzahlung. Er kann dieses Vermögen einsetzen, um seinerseits eine neue Immobilie zu erwerben, er kann Wertpapiere kaufen oder sich für eine Festgeld- oder Sparbucheinlage entscheiden. Der im Haus verbleibende Ehegatte nimmt ein Darlehen auf, um den Kaufpreis für den anderen Miteigentumsanteil zu finanzieren und trägt außerdem zusätzlich die bisherigen Zins- und Tilgungsleistungen auf die Altverbindlichkeiten weiter. Die unterhaltsrechtliche Lösung der Rechtsprechung war unter der Herrschaft anderer Verhältnisse auf dem Kapitalmarkt überzeugend:

Der im Haus verbleibende Ehegatte konnte die Zinsen für Alt- und Neudarlehen von seinem Einkommen absetzen, musste sich jedoch nun den vollen Wohnwertvorteil für die gemeinsame Immobilie einkommenserhöhend anrechnen lassen (BGH v. 9.4.2014 – XII ZB 721/12 sowie v. 5.3.2008 – XII ZR 22/06). Tilgungsleistungen auf die Darlehen sind nur vom Einkommen abzusetzen, wenn sie die Höchstgrenzen für den zusätzlichen Aufwand für eine eigene Altersversorgung nicht überschreiten (BGH v. 5.3.2008 – XII ZR 22/06). Erwirbt der weichende Ehegatte eine eigene Immobilie, so ist der Wohnwertvorteil für diese neue Immobilie dann ebenfalls als eigenes Einkommen anzusetzen, der Zinsaufwand kann von dem Wohnwertvorteil abgerechnet werden. Tilgungsleistungen auf Finanzierungsdarlehen können abgerechnet werden, wenn sie die Obergrenze für eine zusätzliche Altersversorgung nicht überschreiten. Entscheidet sich der weichende Ehegatte für eine Anlage des Geldes auf dem Kapitalmarkt, so kommt es auf die tatsächlichen Renditen an. Wählt er eine niedrig verzinste Geldanlage, führt allein diese Entscheidung zu einer Erhöhung des Unterhaltsanspruchs, weil die erzielten Zinsen regelmäßig die Höhe des Wohnwertvorteils nicht erreichen.

Auch eine unterschiedliche Behandlung von Tilgungsleistungen kann sich auf die Höhe des Unterhaltsanspruchs auswirken. Erwirbt der besser verdienende Ehegatte das gemeinschaftliche Hausgrundstück, so kann er in einem größeren Umfang die Darlehenstilgung unterhaltsrechtlich als ergänzende Altersversorgung berücksichtigen als der finanziell Schwächere.

Auch die Berücksichtigung des Wohnwertvorteils kann zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, wenn Immobilien an unterschiedlichen Orten mit höheren oder niedrigeren erzielbaren Mieten erworben werden.

Besonders augenfällig ist die Ungleichbehandlung jedoch im Vergleich zwischen dem häufig deutlich höheren Wohnwertvorteil für den erworbenen Teil der Immobilien und den deutlich niedrigeren Kapitaleinkünften. Auch die Tatsache, dass der erwerbende Ehegatte regelmäßig Fremdmittel für den Erwerb des Miteigentumsanteils des anderen einsetzen muss, hilft ihm wegen der niedrigen Darlehenszinsen und des vergleichsweise hohen Wohnwertvorteils für den erworbenen Miteigentumsanteil nicht weiter.

Die veränderte Situation auf dem Kapitalmarkt sollte dazu führen, die bisherige Rechtsprechung zu überdenken. Tatsache ist, dass beide beteiligten Ehegatten jeweils ein gleichwertiges Surrogat anlässlich der Auseinandersetzung des Miteigentumsanteils erhalten, nämlich ein Ehegatte in Gestalt des ihm überlassenen Miteigentumsanteils und der andere durch den Erwerb von Geldvermögen. Unabhängig von der Investitionsentscheidung der beiden Ehegatten sollte im Unterhaltsrecht die ursprünglich bestehende Gleichwertigkeit aufrechterhalten bleiben. Weder der Erwerb des Miteigentumsanteils noch die Risikobereitschaft bei der Verwendung des erhaltenen Kapitalvermögens sollte sich auf die Höhe des Unterhaltsanspruchs auswirken.

Autor: Gerd Uecker

Gerd Uecker, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Hamburg

FF 11/2016, S. 425

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