Von der Gesetzestechnik her hat man sich im FGB, ähnlich wie etwa in der Schweiz mit Art. 125 ZGB,[36] für eine unterhaltsrechtliche Generalklausel entschieden: Anders als das heute in den §§ 1570 ff. BGB der Fall ist, werden im FGB daher nicht einzelne Unterhaltstatbestände normiert, bei deren Vorliegen dem geschiedenen Ehegatten Unterhalt zugesprochen werden kann, sondern im Gesetz werden beispielhaft die wichtigsten Gründe aufgezählt, die einen geschiedenen Ehegatten daran hindern können, seine Lebenshaltungskosten nach der Scheidung aus eigenem Einkommen zu bestreiten. Genannt werden beispielhaft eine Unterhaltsbedürftigkeit aufgrund von Krankheit, wegen der Erziehung der Kinder oder aus "anderen Gründen": Hierunter fielen in erster Linie eine altersbedingte Unterhaltsbedürftigkeit sowie ein Unterhalt, um dem Berechtigten eine Fortbildung im erlernten Beruf bzw. den Abschluss einer unterbrochenen Ausbildung zu ermöglichen.[37] Hauptgründe, weshalb Unterhalt zugesprochen wurde, waren in der DDR-Praxis der 1970er-Jahre in etwa 50 % der Fälle die Erziehung der Kinder, gefolgt von der Unterhaltsbedürftigkeit wegen Aus- und Fortbildung (ca. 20 % der Fälle) und wegen Krankheit und Alter (ca. 30 %).[38] Dabei handelte es sich vielfach nur um einen Aufstockungsunterhalt zu einem bereits vorhandenen, eigenen Einkommen des Unterhaltsberechtigten, etwa aus Teilzeittätigkeit oder aus Renteneinkünften.[39]

Die rechtstechnische Ausgestaltung von § 29 Abs. 1 FGB als unterhaltsrechtliche Generalklausel macht die aus dem BGB bekannten Anschlussunterhaltstatbestände im Prinzip unnötig: Zwar ließe es die lediglich beispielhafte Aufzählung von möglichen Gründen für eine Unterhaltsbedürftigkeit im Gesetz sicherlich grundsätzlich zu, dass ein vielleicht ursprünglich einmal auf die Kinderbetreuung gestützter Unterhaltsanspruch durch einen solchen wegen Alters oder Krankheit abgelöst wird. Aber die Frage nach der Zulässigkeit einer Kombination oder einem Auswechseln des konkreten Grundes für die Unterhaltsbedürftigkeit wird in der unterhaltsrechtlichen Literatur – soweit ersichtlich – nicht thematisiert; die Vermutung liegt nahe, dass man in der DDR hierfür aufgrund der strengen Beschränkung der Unterhaltsdauer auf grundsätzlich zwei Jahre nach Rechtskraft der Scheidung (§ 29 Abs. 1 FGB) keinerlei Bedarf gesehen hat.

[36] Vgl. näher FamKomm Scheidung/Schwenzer (2. Aufl. 2011), Art. 125 ZGB Rn 1 f.; Menne, Betreuungsunterhalt in der Schweiz und in Deutschland, FF 2012, 487 (489 f.).
[37] Vgl. FGB-Kommentar/Seifert (Fn 5), § 29 Anm. 1.1.1, 1.1.2, 1.1.3; Familienrecht/Ansorg/Grandke/Rieger (Fn 5), S. 289 f. sowie aus der Rechtsprechung etwa OG, Urt. v. 6.4.1989 – OFK 5/89, NJ 1989, 336 (Aufnahme eines Fachschulstudiums durch den geschiedenen Ehegatten als anderer Grund i.S.v. § 29 Abs. 1 FGB).
[38] Vgl. Bericht des Präsidiums des Obersten Gerichts, NJ 1975, 292 (292 f.).
[39] Vgl. Bericht des Präsidiums des Obersten Gerichts, NJ 1975, 292 (292 f.).

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