1. b) Für die Frage, ob die Sorgeberechtigten eine notwendige Heilbehandlung gegen den Willen eines älteren Kindes oder Jugendlichen durchsetzen können, kommt es auf die Schwere und Bedeutung des Eingriffs in die körperliche Integrität des Kindes, die objektive (medizinische) Notwendigkeit und die Gründe für die Haltung des Kindes an. c) Sorgeberechtigte müssen einen Antrag gemäß § 1631b BGB auf Genehmigung einer mit Freiheitsentzug verbundenen Unterbringung ihres Kindes stellen, wenn nur durch eine solche Unterbringung in einer Klinik die Durch- und Weiterführung einer dringend notwendigen Behandlung des Kindes mit Medikamenten sichergestellt und eine erhebliche Selbstgefährdung verhindert werden kann. (BGH, Urt. v. 4.8.2015 – 1 StR 624/14)
  2. a) Der Mutter ist die elterliche Sorge gem. § 1671 Abs. 1 Nr. 2 BGB trotz fehlender Bindungstoleranz zu übertragen, wenn die Kinder keinen Kontakt zum Vater haben und einen Wechsel zu diesem ablehnen. b) Das Recht, die Kinder in Umgangsangelegenheiten zu vertreten, ist den Eltern zu entziehen und einem Pfleger zu übertragen, wenn die bindungsintolerante Mutter nicht in der Lage ist diese Rechte der Kinder für diese geltend zu machen und hieraus eine Gefährdung des Kindeswohls (§ 1666 BGB) droht. (KG, Beschl. v. 24.7.2014 – 13 UF 143/14)
  3. a) Auch in Kindschaftssachen besteht ein Regel-Ausnahme-Verhältnis für eine Anhörung auch in der Beschwerdeinstanz nicht. Wenn aus den seit der Anhörung in erster Instanz eingereichten Schriftsätzen kein Anhaltspunkt deutlich wird, der für eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse spricht, die weiterer Aufklärung bedarf, ist ein Erkenntnisgewinn durch eigene, weitere, wiederholende Ermittlungsbemühungen des Beschwerdegerichts nicht zu erwarten, und sie sind deshalb im Interesse einer unverzüglichen Beendigung des Verfahrens zu unterlassen. b) In den Antragsverfahren, die sich gegen die bisherige Alleinsorge nach § 1626a Abs. 3 BGB richten, besteht die gesetzliche Vermutung für die Kindeswohldienlichkeit der gemeinsamen Sorge, also der normative Vorrang dieser Sorgezuordnung vor anderen Varianten, aber die Vermutung ist widerleglich, und sie wirkt sich nicht als Beweisregel aus. c) Das Leitbild der gemeinsamen Sorge kann nicht mehr abstrakt-generell in Frage gestellt werden. Werden allerdings aus dem Vortrag eines Beteiligten oder aus anderen Quellen Anhaltspunkte ersichtlich, die so konkret dargelegt sind, dass ihnen nachgegangen werden kann, dann hat das Gericht diese Ermittlungen durchzuführen und die objektiven Gegebenheiten und die Interessen der Beteiligten mit den gebotenen Mitteln umfassend aufzuklären. Bei der Würdigung der so erhobenen Feststellungen gilt keine Regel, alle Umstände mit einer Neigung zur gemeinsamen Sorge zu beurteilen oder Umstände, die gegen die gemeinsame Sorge sprechen können, nur zu verwerten, wenn sie überwiegend oder hochwahrscheinlich erscheinen. (OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.2015 – 13 UF 190/14; vgl. auch Beschl. v. 3.8.2015 – 13 UF 50/15)
  4. a) Gemäß § 1686a BGB hat der biologische – jedoch nicht rechtliche – Vater, der ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat, ein Umgangsrecht, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient, wenn also der Umgang für das Kindeswohl förderlich ist. Diese Voraussetzung ist auch dann nicht erfüllt, wenn zwar aus psychologischer Sicht ein offener Umgang mit der Situation einer von der rechtlichen und sozialen Vaterschaft abweichenden Abstammung eines Kindes und insbesondere eine frühzeitige Aufklärung des Kindes hierüber wünschenswert ist, jedoch angesichts ernsthafter und erheblicher psychischer Widerstände und Ängste der rechtlichen und sozialen Eltern gegen den biologischen Vater das bestehende Familiensystem, in dem das Kind lebt, durch das "Auftauchen" des biologischen Vaters beeinträchtigt würde. b) § 1686a BGB bietet keine Grundlage, um die rechtlichen und sozialen Eltern zur Inanspruchnahme von Beratung oder familientherapeutischen Maßnahmen zur Vorbereitung von Umgangskontakten des Kindes mit dem biologischen Vater zu verpflichten. c) Die in dieser Sache vom EuGHMR mit Urt. v. 21.12.2010 (Individualbeschwerde Nr. 20578/07, FamRZ 2011,269, mit Anm. Rixe, S. 1363) geforderte Prüfung, ob der Umgang zwischen den Kindern und dem Antragsteller dem Wohl der Kinder dient, wurde nunmehr vorgenommen; Ergebnis ist, dass der Umgang dem Kindeswohl nicht dient und deshalb dem Antragsteller weiterhin ein Umgangsrecht nicht einzuräumen ist. (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.6.2015 – 20 UF 63/13, FamRZ 2015,1624)

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