Einleitung

Das Thema ist komplexer als es der Titel vermuten lässt. Eigentlich geht es um die Kriterien, Vorgehensweisen und Methoden bei der Ermittlung des überquotenmäßigen Unterhalts für Ehegatten vor und nach der Scheidung sowie des übertabellarischen Unterhalts bei minderjährigen und volljährigen Kindern sowie die Auswirkungen und Folgen hiervon.

In der Vergangenheit finden sich zu den vorgenannten Fragen relativ wenig höchstrichterliche Entscheidungen der Oberlandesgerichte. In den Jahren 2010 und 2012 hat sich jedoch allein der BGH in drei Entscheidungen mit der Frage des überquotenmäßigen Unterhalts befasst. In der Entscheidung vom 11.8.2010[1] äußert sich der BGH zur Trennung der für die Lebensführung zur Verfügung stehenden Einkünfte von den zur Vermögensbildung verwendeten Mitteln und der konkreten Darlegung eines höheres Bedarfs sowie zur Bemessung des Altersvorsorgeunterhalts bei konkret bemessenem Barunterhalt. Die Entscheidung des BGH vom 10.11.2010[2] äußert sich zu der vollen Anrechnung der Eigeneinkünfte der unterhaltsberechtigten Ehefrau auf den Bedarf und ohne Kürzung um einen Erwerbstätigenbonus. Schließlich macht der BGH in der Entscheidung vom 18.1.2012[3] Ausführungen zur konkreten Bedarfsberechnung und insbesondere zu der Frage des Wohnbedarfs, wenn die Ehefrau nach der Trennung in einem für sie allein zu großen Haus geblieben ist. Auch die Oberlandesgerichte und mehrere Autoren konkretisieren in jüngster Vergangenheit sukzessive die Vorgehensweisen bei Unterhaltssituationen mit höherem Familieneinkommen. Was sind die Ursachen für diese zunehmende Beschäftigung mit Unterhaltsfragen bei höheren Einkommen?

Die Einkommen von zahlreichen Ehemännern sind gestiegen, in der Folge auch das Konsumverhalten und der Bedarf der Familienmitglieder. Häufig wird inzwischen der dem Quoten- oder Tabellenwert zugrunde liegende Berechnungsmodus dem tatsächlich höheren Verfügungseinkommen und dem gelebten Bedarf nicht mehr gerecht.

Nach der alle drei Jahre veröffentlichten Einkommensteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes waren im Jahr 2007 unter den Spitzenverdienern 16.846 "Einkommensmillionäre". In Nordrhein-Westfalen wurden die meisten Einkommensmillionäre (4.206) registriert, gefolgt von Bayern (3.472) und Baden-Württemberg (2.792). Die wenigsten Millionäre verzeichnen die östlichen Bundesländer Sachsen-Anhalt (84), Thüringen (77) und Mecklenburg-Vorpommern (63). Düsseldorf hat mit 378 Topverdienern die meisten Einkommensmillionäre pro Kopf der Bevölkerung und unter den deutschen Städten zu verzeichnen. Köln kam auf 346 Einkommensmillionäre. Außerhalb Nordrhein-Westfalens lebten in München 827 Einkommensmillionäre, in Frankfurt am Main 362 Topverdiener. In Stuttgart leben 325 Millionäre, in Hamburg 859. In der Bundeshauptstadt Berlin verdienen 585 Menschen mindestens eine Million EUR. Die Zahl der Einkommensmillionäre ist ansteigend, so dass – auch wenn nicht jeder Einkommensmillionär geschieden wird – mit einer insgesamt steigenden Zahl von Verfahren über Unterhalt bei hohem Einkommen zu rechnen ist. Hier werden dann insbesondere diejenigen Anwälte und Richter gefordert sein, die in einkommensstarken Regionen tätig oder zuständig sind.

[1] FamRZ 2010, 1637 m. Anm. Borth.
[2] FamRZ 2011, 192 m. Anm. Schürmann.
[3] FamRZ 2012, 517 m. Anm. Born.

Wovon hängt der Ausgang eines Rechtsstreits über hohe Unterhaltsbeträge unter Umständen ab?

Von Bedeutung und Einfluss können hier sein:

der Vortrag des Anwalts
die Darlegungs- und Beweislast
die Vorstellungswelt des Familienrichters, der Beteiligten und/oder der Anwälte
die Verfahrensart (Anordnungs- und/oder Hauptsacheverfahren)
die unterschiedlichen Strukturen im Trennungs-, Geschiedenen- und Kindesunterhalt
die (mangelnden?) Erfahrungen der Familienrichter und Anwälte mit Auseinandersetzungen über hohe Unterhaltsbeträge
die Berechnungsmethoden

Welche gesetzlichen Grundlagen für die Unterhaltsbemessung existieren?

Die unterschiedlichen Formulierungen der §§ 1360a, 1361 Abs. 1 und 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB umschreiben den unbestimmten Rechtsbegriff des "eheangemessenen Bedarfs", von dem die Höhe des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs abhängt. Die unterschiedlichen Formulierungen in den vorgenannten Vorschriften zeigen, dass ein Unterhaltsmaß geschuldet wird, das dem ehelichen Lebenszuschnitt entsprochen hat. Mit der Formulierung "angemessen" in den §§ 1360a Abs. 1 und 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB wird zum Ausdruck gebracht, dass nicht ausschließlich an die die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse angeknüpft werden kann, sondern auch eine wertende Entscheidung vorzunehmen ist. Für § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB, bei dem das Wort "angemessen" fehlt, wird zum Ausdruck gebracht, dass der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt aufgrund der sich abschwächenden personalen Verantwortung nach der Scheidung in vielen Facetten schwächer ausgestaltet ist.[4]

Nunmehr kann bekanntlich der nacheheliche Unterhaltsbedarf gemäß § 1578b BGB sogar zeitlich begrenzt und/oder auf ein niedrigeres Maß als das der ehelichen Lebensverhältnisse abgesenkt werden.

Wenngleich strukturell Familien-, Trennungs- und Geschiedenenu...

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