Nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG gelten in Ehe- und Familienstreitsachen die Vorschriften der Zivilprozessordnung. Zudem unterliegen Rechtsmittel in Ehe- und Familienstreitsachen den speziellen Anforderungen des § 117 FamFG. Die neuen Vorschriften zur Übermittlung von Rechtsmittelschriften als elektronische Dokumente bergen Risiken. Werden die formellen Anforderungen nicht erfüllt, droht ein Rechtsverlust. Die Rechtsprechung hatte sich bereits mehrfach mit der gesetzlichen Neuregelung im Rahmen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu befassen.

Nach dem seit dem 1.1.2022 geltenden § 130d ZPO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Dies betrifft auch Rechtsmittelschriften. Wird die Beschwerdeschrift als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht, muss dieses nach § 130a Abs. 2 S. 1 ZPO für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Zudem muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 130a Abs. 3 und 4 ZPO). Ein mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenes Dokument darf außer auf einem sicheren Übermittlungsweg auch an das EGVP übermittelt werden (§ 4 Abs. 1 Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV, BGBl I S. 3803; geändert durch Verordnung vom 9.2.2018, BGBl I S. 200). Dadurch soll gewährleistet werden, dass Dokumente in einer Weise an das Gericht gesandt werden, die sicherstellt, dass die Identität des Signierenden von einem Dritten geprüft und bestätigt wurde. Bei der qualifizierten elektronischen Signatur geschieht dies im Vorfeld durch die sichere Identifizierung der Person bei einem qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter. Die qualifizierte elektronische Signatur hat die gleiche Rechtswirkung wie eine handschriftliche Unterschrift. Sie muss jedoch, um diese Gleichwertigkeit zu erreichen, von demjenigen vorgenommen werden, dessen Unterschrift dem Formerfordernis genügen würde, mithin von dem Rechtsanwalt persönlich.[6]

Bei den sicheren Übermittlungswegen, etwa über das beA (vgl. § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO), geschieht die Überprüfung der Identität des Absenders bei der Prüfung des Zulassungsantrags durch die Rechtsanwaltskammer (§ 31a BRAO).

Die Verwendung einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur (Art. 3 Nr. 11 und Art. 26 eIDAS-VO) ist ohne persönlich vorgenommene Übermittlung der Beschwerdeaschrift nicht ausreichend. Zwar bewirkt auch die fortgeschrittene elektronische Signatur ein gewisses Maß an Identitätsnachweis, soll jedoch eine gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, so muss der Aussteller das elektronische Dokument mit dem noch höheren Authentisierungsstandard einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Nur diese gewährleistet nach der gesetzgeberischen Wertung ein der Unterschrift vergleichbares und damit ausreichendes Maß an Authentisierung.[7]

Die Einreichung ist auch dann formgerecht, wenn dies gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 2. Alt., Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ZPO durch einfache Signatur (Art. 3 Nr. 10 elDAS-Vo) der verantwortenden Person erfolgt und das Dokument auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht wird (§ 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 130a Abs. 3 ZPO). Dem wird entsprochen, wenn gemäß § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO vom sachbearbeitenden Verfahrensbevollmächtigten das eigene besondere elektronische Anwaltspostfach genutzt wird und die Beschwerdeschrift (pdf-Datei) am Ende den Namen des Verwenders trägt.[8]

Vor der qualifizierten elektronischen Signatur einer Rechtsmittelschrift oder eines Rechtsmittelbegründungsschriftsatzes ist der Rechtsanwalt verpflichtet, selbst den Schriftsatz auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu kontrollieren. Die anwaltlichen Pflichten entsprechen denen bei Unterschriftsleistung. Vor der Unterschrift unter eine Rechtsmittelbegründungsschrift muss der Rechtsanwalt sie auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüfen. Das gilt auch bei einer zweiten Vorlage des Schriftsatzes. Ein bereits kontrollierter Schriftsatz muss nach dessen Korrektur vor der Unterschriftsleistung bzw. der Signaturerstellung erneut insgesamt, nicht nur hinsichtlich der korrigierten Seite, auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft werden. Im elektronischen Rechtsverkehr wird nach Fehlerbehebung ein neues Dokument geschaffen, woraus wiederum wegen der damit verbundenen technischen Vorgänge eine neue Gefahrenquelle erwachsen kann. Die Kontrolle kann der Rechtsanwalt nicht auf das Büropersonal übertragen; er kann deshalb nicht darauf vertrauen, dass durch seine Angestellten eine entsprechende Prüfung...

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