Bei diesen Verfahren, in denen es hauptsächlich um unterhalts-, güter- oder sonstige zivilrechtliche Ansprüche geht, handelt es sich im Grunde um Zivilprozesse, die nur wegen der zugrunde liegenden Personenbeziehungen den Familiengerichten zugewiesen sind. Folgerichtig sind nach § 113 Abs. 1 FamFG auf diese Verfahren nicht die allgemeinen Vorschriften des FamFG, sondern die der ZPO anzuwenden. Damit gilt für sie auch das zu Recht als große Errungenschaft der CPO von 1877 gefeierte Mündlichkeitsprinzip,[1] welches auf der Erkenntnis beruht, dass die unmittelbar vor dem erkennenden Gericht geführte, konzentrierte Erörterung des Streitstoffs mit persönlichem Austausch der Argumente dem Gericht auf optimale Weise die Grundlage für das Urteil oder eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits vermittelt. Die Praxis hat allerdings gezeigt, dass nicht jeder Zivilprozess den mit einer mündlichen Verhandlung verbundenen Aufwand erfordert. Durch die Vereinfachungsnovelle von 1976 wurde daher die Möglichkeit geschaffen, mit Zustimmung der Parteien ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden (§ 128 Abs. 2 ZPO), und die ZPO-Reform von 2001 steigerte die Attraktivität dieses Verfahrens noch durch die Einführung des schriftlichen Prozessvergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO.

Das schriftliche Verfahren ist auch in Familienstreitsachen zulässig[2] und könnte wesentlich stärker genutzt werden. Damit seine (nicht nur in Pandemiezeiten sehr vorteilhafte) Entlastungswirkung effizient genutzt werden kann, sollte der Vorsitzende in diesen Sachen nicht sogleich frühen ersten Termin bestimmen, sondern zunächst ein schriftliches Vorverfahren entspr. § 276 ZPO anordnen.[3] Er kann dann einschätzen, ob ein Verzicht auf mündliche Verhandlung in Betracht kommt, und diesen Vorschlag ggf. sogleich verbinden mit einem auf dem schriftlichen Vorbringen beruhenden Vergleichsvorschlag oder – für den Fall, dass doch mündlich verhandelt werden soll – rechtlichen Hinweisen nach § 139 ZPO und Anordnungen nach § 273 ZPO. Auf diese Weise ließe sich in vielen Fällen erheblicher Verfahrensaufwand vermeiden, und Corona bekäme keine Chance.

Eine dennoch notwendige mündliche Verhandlung kann nach § 128a ZPO, der in Familienstreitsachen entsprechend anwendbar ist, auch im Wege der Bild- und Tonübertragung durchgeführt werden.[4] Dadurch ließen sich zwar Infektionsgefahren vermeiden, nennenswerte Verfahrenserleichterungen aber nicht erzielen. Auch in diesem Fall muss ein Termin im Sitzungszimmer anberaumt werden (§ 128a Abs. 1 Satz 2 ZPO); schließlich bleibt es den Beteiligten unbenommen, trotz Zulassung der Videokommunikation persönlich an der Verhandlung teilzunehmen.[5] Für jeden (potenziell) Beteiligten muss daher ein Platz mit Bildschirm, Kamera und Mikrofon bereit gehalten werden. Die mündliche Verhandlung komplett durch eine Videokonferenz zu ersetzen, ist de lege lata nicht möglich, lediglich de facto durch Absprache mit sämtlichen Beteiligten zu erreichen (wobei aber doch nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Antragsteller oder -gegner plötzlich vor dem Richterzimmer steht oder bei einem Beteiligten die Internetverbindung streikt).

Die Verhandlung mittels Video-Übertragung sollte daher allenfalls in Betracht gezogen werden, wenn einem Beteiligten nur so auf zumutbare Weise eine Teilnahme an der Sitzung ermöglicht werden kann (etwa wegen Reiseschwierigkeiten). Ansonsten sollte dann, wenn Gericht und Beteiligte eine mündliche Verhandlung für geboten erachten, also kein Einverständnis mit schriftlichem Verfahren vorliegt, auf die Vorzüge der unmittelbaren Kommunikation nicht verzichtet werden. Nur diese vermittelt unverfälschte körpersprachliche Informationen, ermöglicht lebendige Interaktionen und den Ausgleich unterschiedlicher Verhandlungsstärken.[6]

Weitere Einschränkungen folgen aus § 141 ZPO. Dieser schreibt vor, dass das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden soll (d.h. nur in Ausnahmefällen unterbleiben darf), wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. "Persönliches" Erscheinen ist nicht gleichbedeutend mit virtueller Präsenz. Dass das Gericht einerseits das persönliche Erscheinen für geboten hält, andererseits aber die Zuschaltung per Video gestattet, wird daher nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen, etwa um ein Absehen von der Anordnung wegen Unzumutbarkeit (§ 141 Abs. 1 Satz 2 ZPO) zu vermeiden.

Damit bleibt für eine Videoverhandlung nur ein relativ kleiner Anwendungsbereich, etwa um das an sich gebotene, aber undurchführbare oder unzumutbare Erscheinen eines Beteiligten zu ersetzen. Hält das Gericht eine unmittelbare Kommunikation zur Aufklärung des Sachverhalts, zur Reduktion des Streitstoffs oder zum Ausloten einer gütlichen Einigung nicht für erforderlich, sollte es auf eine Zustimmung zum schriftlichen Verfahren hinwirken statt den unnötigen Aufwand einer Videoverhandlung zu betreiben.

Im Rahmen der Verhandlungsvorbereitung kann die elektronische Übertragungstechnik dagegen sehr sinnvoll eingesetzt werden. Sie e...

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