Einführung

In der Praxis wird Kindesunterhalt fast ausschließlich nach den Pauschalsätzen der Düsseldorfer Tabelle gefordert. Streitpunkt ist dabei in der Regel die Höhe des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens, da dieses die Höhe des jeweiligen Tabellenunterhalts bestimmt. In den Fällen, in denen der Tabellenunterhalt als nicht mehr bedarfsdeckend kritisiert wird, oder in denen das Einkommen des Unterhaltspflichtigen oberhalb der 10. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle liegt, kann und muss der Kindesunterhalt abweichend von den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle nach konkretem Bedarf geltend gemacht werden.

I. Grundsätze des Kindesunterhalts und System der Düsseldorfer Tabelle

Verwandte in gerader Linie schulden sich nach § 1601 BGB gegenseitig Unterhalt. Dies gilt insbesondere für Eltern gegenüber ihren Kindern, wobei die Unterhaltsverpflichtung gegenüber minderjährigen Kindern auch Ausdruck der elterlichen Sorge nach §§ 1626 ff. BGB ist.[1]

Wenn das unterhaltsberechtigte Kind nicht in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten, ist eine Unterhaltsbedürftigkeit nach § 1602 BGB zu bejahen. Bei Kindern ist dies grundsätzlich dann der Fall, wenn sie sich in der Schul- und Berufsausbildung befinden und noch über kein eigenes Einkommen verfügen.

Das minderjährige und privilegiert volljährige Kind hat noch keine selbstständige Lebensstellung erlangt. Daher richtet sich sein Bedarf nicht wie der Bedarf der sonstigen Unterhaltsbedürftigen gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach dessen eigener Lebensstellung, sondern nach der Lebensstellung seiner Eltern.[2] Folglich sind für die Bemessung der Höhe des angemessenen Unterhalts die Einkommens- und Vermögensverhältnisse beider Eltern maßgeblich bzw. wenn ein Elternteil den von ihm geschuldeten Unterhalt durch Betreuung erfüllt (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB), ist allein dessen Einkommen maßgeblich.[3]

Da jeder seine Lebensverhältnisse individuell gestaltet, d.h. selbst über die Verteilung seines Einkommens auf Bedarfspositionen wie Wohnen, Lebensmittel, Kleidung, Urlaub, Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, Sport etc. entscheidet, müsste das unterhaltsberechtigte Kind zunächst nachweisen, wie sich die individuelle Lebensführung des Unterhaltspflichtigen gestaltet. Es müsste dem folgend darlegen, welchen jeweiligen Bedarf es davon ableitet, und diesen dann konkret beziffern.

Das Kind müsste daher nicht nur die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nachweisen, sondern auch, wie dieser das von ihm erzielte Einkommen für seine individuelle Lebensgestaltung verwendet. Dies führt natürlich zu einer erheblichen Darlegungs- und Beweislast für das unterhaltsberechtigte Kind.

Um dem minderjährigen Kind die Geltendmachung seines Unterhaltsanspruches zu erleichtern als auch um eine einheitliche Rechtsprechung für vergleichbare Sachverhalte zu schaffen, entwickelten die Gerichte verschiedene Tabellenwerke, auf welche sich das unterhaltsberechtigte Kind bei der Einforderung seines Unterhalts berufen konnte.[4] Durchgesetzt hat sich die Düsseldorfer Tabelle, welche nunmehr einheitlich von allen Gerichten angewendet wird.

Die Düsseldorfer Tabelle baut auf dem Mindestunterhalt für ein minderjähriges Kind auf. Der Mindestunterhalt wird gemäß § 1612a Abs. 4 BGB n.F. alle 2 Jahre in der Mindestunterhaltsverordnung festgelegt, gesondert für jedes Kalenderjahr.

Der Mindestunterhalt stellt den existenznotwendigen Lebensbedarf eines Kindes dar und richtet sich nach dem steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimum, vgl. § 1612a Abs. 1 BGB. Dieses steuerfrei zu stellende sächliche Existenzminimum wird alle 2 Jahre in dem Existenzminimumbericht der Bundesregierung festgelegt und beruht auf den durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Regelsätzen der Bundesländer und auf den statistischen Berechnungen der durchschnittlichen Aufwendungen für Wohn- und Heizkosten. Es entspricht dem sozialhilferechtlichen Mindestbedarf, geregelt in den §§ 27 ff. SGB XII bzw. dem RBEG (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz), und wird ermittelt nach Ergebnissen der Einkommens- und Verbrauchsstichproben. Daraus ergibt sich ein bundesweit einheitliches Leistungsniveau der Sozialhilfe.

Dieses Existenzminimum umfasst Kosten der Unterkunft (Bruttokaltmiete und vergleichbare Aufwendungen für Haus- oder Wohnungseigentum) sowie Heizkosten einschließlich der Kosten für Warmwasserbereitung, Leistungen für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat und Haushaltsenergie, § 27a SGB XII. Bei minderjährigen Kindern zählen nicht zum Existenzminimum Bildungs- und Teilhabeleistungen für Lernförderung, mehrtägige Klassenfahrten sowie Schulmittagessen und Schulbeförderungskosten. Diese gelten als individueller Sonder- oder Mehrbedarf.[5]

In § 6 RBEG werden Kindern und Jugendlichen, je nach Altersstufe, betragsmäßig folgende Verbrauchsausgaben zugerechnet (bezogen auf die Sonderauswertungen für Familienhaushalte der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013):

 
2013 = entsprechend Gesetzestext 0-5 Jahre in %

6-13

Jahre
in %

14-17

Jahre
in %
Abteilung 1 (Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke) 79,95 EUR 35,05 % 113,77 EUR 40,40 % 141,58 E...

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