Es ist festzustellen, dass das Gutachten den Ausgangsfall nicht sorgfältig genug analysiert hat. Die Behauptung, die festgestellte Vaterschaft "sei wie jede Vaterschaft zu behandeln", greift letztlich zu kurz. Nach Ansicht des Verfassers ist sehr wohl zu berücksichtigen, dass die Zeugung mit dem Makel einer strafbaren Tat verbunden ist.

Wenn der Familienrichter in dieser Fallkonstellation eine Endentscheidung trifft, weiß er sehr wohl, dass sie von dem unterlegenen Elternteil angefochten wird. Das Wissen um die Einlegung der Beschwerde wird stets zulasten des Kindes gehen. Daher sollte der Familienrichter in Kindschaftssachen, zu denen nach § 151 Nr. 2 FamFG auch das Umgangsrecht zählt, seine Machtbefugnis nutzen, um in derartigen Fällen eine interessengerechte Vereinbarung herbeizuführen.

Das Umgangsrecht des Vergewaltigers könnte im Rahmen einer einvernehmlichen Regelung der Eltern nach § 156 Abs. 2 FamFG so lange ausgeschlossen bleiben, bis das Kind nach Kenntnisvermittlung der Umstände seiner Zeugung die geistige Reife hat – in der Regel zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr[6] – darüber selbstständig zu entscheiden, ob es den Umgang mit dem Vergewaltiger will oder nicht. Befürwortet es den Umgang mit ihm, müsste die Mutter sich dieser Entscheidung beugen. Lehnt es den Umgang mit seinem Vater dagegen ab, so hat dieser dessen Entscheidung zu akzeptieren. Nur durch diese Verfahrensweise kann es "eine Annäherung des positiven Rechts an die Gerechtigkeit" geben.[7] Diese einvernehmliche Entscheidung wird dann auch in der Bevölkerung akzeptiert, die nach wie vor der Ansicht ist, dass die Einräumung des Umgangsrechts zugunsten des Vergewaltigers für die Mutter des Kindes "die härteste Strafe" ist.[8]

[6] Nach Kirsch, FamRZ 2019, 933, 936, zeigt die Erfahrung, dass bei normaler Entwicklung des Jugendlichen ab dem 16. Lebensjahr auch die Fähigkeit des jungen Menschen besteht, komplexe Fragestellungen zu verstehen und darüber eigenverantwortlich zu entscheiden.
[7] Kriele, Kriterien der Gerechtigkeit, 1963, S. 9 u. 102.
[8] Haas, Reportage/Justiz, Brigitte 1/2019, S. 51.

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