Auch wenn aus dem Leitsatz 2 nicht ersichtlich, stellt der BGH nicht nur auf den erhöhten Abstimmungs- und Kooperationsbedarf der Elternteile ab (dazu sogleich), sondern auch auf die äußeren Rahmenbedingungen. So werden namentlich eine gewisse Nähe der elterlichen Haushalte und die Erreichbarkeit von Schule und Betreuungseinrichtungen genannt. Die Aufzählung ist nicht abschließend, wie sich aus dem Wörtchen "etwa" klar ergibt. Zu denken wäre z.B. ferner – je nach dem Alter der betroffenen Kinder – an die Entfernung von deren Freundeskreis (Peer-Group), von Sportstätten, Musikunterricht etc.

Insgesamt ist der Maßstab des Kindeswohls an § 1697a BGB auszurichten, sodass das Wechselmodell einzurichten ist, wenn es dem Wohl des Kindes am besten entspricht, d.h. es muss gegenüber anderen Betreuungsmodellen vorzugswürdig sein.

Aus Kindessicht ist wesentlich, dass das Pendeln zwischen zwei "Hauptlebensmittelpunkten" (Doppelresidenz) ggf. ein höheres Maß an Umstellungen erfordert. Ferner sollte zu beiden Elternteilen eine sichere Bindung bestehen. Auch die bisherige Einbindung der Elternteile in die Kinderbetreuung kann hier eine Rolle spielen. Nicht neu ist, dass mit zunehmendem Alter der Kinder auch deren Wille immer größere Bedeutung erlangt.

Im Bereich der Eltern ist das Bestehen der Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit wesentlich, nicht erst deren Herstellung. Das Wechselmodell soll also kein psychologisches Instrument zur Herbeiführung einer veränderten Haltung der Elternteile sein. Die Anordnung des Wechselmodells erscheint nach BGH grundsätzlich ungeeignet, die im Konflikt befangenen Eltern dadurch zu einem harmonischen Zusammenwirken in der Betreuung und Erziehung des Kindes zu veranlassen. Der BGH beruft sich insoweit wesentlich auf Frau Prof. Dr. Walper, LMU München, Fachbereich Psychologie und Pädagogik, zzt. Forschungsdirektorin beim DJI. Hohe Konfliktbelastung spricht somit unter Kindswohlaspekten eher gegen das Wechselmodell.

Hinzuweisen ist an dieser Stelle auf eine Entscheidung des OLG Hamburg[15], nach der das Scheitern eines bisher außergerichtlich vereinbarten Wechselmodells für unzureichende Kommunikations-/Kooperationsfähigkeit der Eltern sprechen kann.

Nach Meinung des KG[16] entspricht das Wechselmodell bei hoher elterlicher Konfliktbelastung regelmäßig nicht dem Kindeswohl.[17]

Zu beachten ist insbesondere bei bestehender Alleinsorge, dass die Entscheidungskompetenz des Elternteils, bei dem sich das Kind aufgrund der gerichtlichen Umgangsregelung befindet, für die Bewältigung von Alltagssituationen oftmals nicht ausreicht, weil der Verweis in § 1687a BGB auf § 1687 Abs. 1 S. 4 und 5 BGB diese Kompetenz auf die Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung bewusst reduziert. Dies könnte somit auch bei Wechselmodellen Probleme machen.

Der Wille der Elternteile und das Wohl der Kinder sind nicht unbedingt deckungsgleich. Dies bedeutet aber auch, dass das Wechselmodell sogar gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden kann. Ansonsten könnte ein Elternteil einen Vorstoß zum Wechselmodell auch mit sachwidrigen Gründen und gegen das Kindeswohl mit einem Veto zu Fall bringen. Insofern ist die Lage nicht anders als bei § 1671 BGB. Damit hat der BGH der verbreiteten Ansicht auch bei namhaften Oberlandesgerichten eine Absage erteilt, ein Wechselmodell setze einen insoweit übereinstimmenden Willen (Konsens) der Elternteile voraus (Rn 13 ff.).

Allerdings soll es nach OLG Brandenburg[18] der Anordnung eines Wechselmodells (hier Antrag im Rahmen eines Sorgerechtsverfahrens!) gegen den Willen eines Elternteils entgegenstehen, wenn die Elternteile eine laufende Mediation nur zur Umgangsabsprache nutzen, aber nicht einen anstehenden Schulwechsel auf eine weiterführende Schule regeln. Hier steht aber wohl die oben angesprochene Kooperationsproblematik im Mittelpunkt und nicht der entgegenstehende Elternwille.

[16] FamRZ 2017, 1409.
[17] Vgl. auch KG v. 13.4.2017 – 16 UF 8/17, FamRZ 2017, 1409 (hier Antrag auf Abänderung einer Umgangsregelung).
[18] FamRZ 2017, 1757.

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