Mit dieser Entscheidung setzt der BGH seine ständige Rechtsprechung zum Ausbildungsunterhalt fort, sie bringt also inhaltlich nicht wirklich etwas Neues. Lesenswert ist sie vor allem, weil der BGH in den Entscheidungsgründen seine bisherige Rechtsprechung zum Ausbildungsunterhalt in kompakter Form referiert, und zwar auch in Bezug auf Gesichtspunkte, die mit dem entschiedenen Fall nur am Rande zu tun haben. Das ist einerseits zu begrüßen, weil die Praxis sich nicht auf Neues einstellen muss. Allerdings bekräftigt der BGH auch Aspekte seiner Rechtsprechung, die in der Literatur Kritik erfahren haben, z.B. die Unterscheidung zwischen den Ausbildungswegen "Abitur – Lehre – Studium" und "mittlere Reife – Lehre – Fachoberschulreife – Studium". Dazu bestätigt der BGH seine bisherige Linie: Anders als in "Abitur-Lehre-Studium-Fällen" sei es nach mittlerer Reife, Lehre und Fachoberschulreife für einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt erforderlich, dass der Entschluss zu einem Studium bereits vor Aufnahme der praktischen Ausbildung gefasst und geäußert werde. Diese Differenzierung bezüglich der verschiedenen gestuften Ausbildungswege wird in der Literatur zu Recht vermehrt kritisiert.[1] Sie privilegiert in nicht nachvollziehbarer Weise Abiturienten gegenüber anderen Schulabsolventen und wird der aktuellen Wirklichkeit des Ausbildungsmarktes nicht gerecht.[2] Dass der BGH gerade diesen Fall zum Anlass nimmt, ausdrücklich an ihr festzuhalten, ist umso bedauerlicher, als es darauf in der Sache nicht ankam.

Der Entscheidung liegt eine klassische "Abitur-Lehre-Studium-Konstellation" zugrunde. Die Tochter des Antragsgegners hatte nach Erlangung der Hochschulreife eine Ausbildung zur Bankkauffrau absolviert und mit Erfolg (Note 1,4) beendet. Danach studierte sie Wirtschaftspädagogik mit dem Ziel, Lehrerin an einer Berufsschule zu werden. Als Schwerpunktfach wählte sie katholische Theologie. Als Grund für ihren Wunsch nach einem Studium gab die Tochter des Antragsgegners an, aus Gewissensgründen nicht in ihrem Ausbildungsberuf arbeiten zu wollen. Weil der Antragsgegner zur Unterhaltsleistung nicht bereit war, erhielt sie BAFöG-Leistungen als Vorschuss, das antragstellende Land nahm den Antragsgegner auf Regress in Anspruch. Das FamG wies den Antrag zurück. Die Beschwerde des antragstellenden Landes hatte keinen Erfolg, weil das Beschwerdegericht keinen sachlichen Zusammenhang zwischen Ausbildung und Studium sah. Das OLG hatte vor allem den Schwerpunkt "katholische Theologie" in den Mittelpunkt seiner Prüfung gestellt und war so zu dem Ergebnis gelangt, die Bankausbildung bereite auf das Studium nicht in ausreichender Weise vor, um sie als sinnvolle Vorstufe zu diesem betrachten zu können. Der BGH weist demgegenüber darauf hin, dass der Schwerpunkt nur ca. 1/3 des Studienstoffes ausmache, der etwa zur Hälfte aus Wirtschaftswissenschaften bestehe. Dass eine Bankausbildung insoweit hilfreich ist, liegt nahe. Abgesehen davon dürfte ein gewisser Praxisbezug gerade Berufsschullehrern im Unterricht in der Regel auch zugutekommen.

Der BGH leitet aus dem Wortlaut des § 1610 Abs. 2 BGB ("einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf") ein Tatbestandsmerkmal der Einheitlichkeit der angestrebten Ausbildung ab. Dieses sei erfüllt, wenn die einzelnen Ausbildungsabschnitte in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stünden und sich jedenfalls sinnvoll ergänzten. Vermehrt wird gefordert, sowohl das Kriterium des sachlichen Zusammenhangs zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten als auch die Differenzierung der einzelnen Wege zum Studienabschluss aufzugeben.[3] In diesem Zusammenhang wird auch vertreten, die Abgrenzung zwischen Weiterbildung und Zweitausbildung sei kaum praktikabel und führe letztlich nicht weiter.[4]

Das dürfte zutreffen: Die Annahme eines eigenständigen Tatbestandsmerkmals der Einheitlichkeit der Ausbildung im Sinne eines sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen ihren einzelnen Abschnitten ist für die sachgerechte Anwendung des § 1610 Abs. 2 BGB nicht erforderlich und hat zu einer unübersichtlichen und teilweise kaum nachvollziehbaren Kasuistik geführt.[5] So soll zum Beispiel die Ausbildung zum Bankkaufmann einen sachlichen Zusammenhang zum Studium der Rechtswissenschaften aufweisen,[6] diejenige zum Speditionskaufmann dagegen nicht.[7] Diese Unterscheidung zwischen zwei kaufmännischen Berufen kann nicht wirklich überzeugen.

Statt sich auf die Frage nach der "juristischen Eins" im Sinne "einer" Ausbildung zu konzentrieren, sollte die Praxis das Tatbestandmerkmal der Angemessenheit der Ausbildung in den Mittelpunkt der Prüfung rücken, ob ein Ausbildungsabschnitt noch zum Bedarf eines Kindes gehört.[8] Mit dem Wortlaut des § 1610 Abs. 2 BGB ist diese Lesart der Vorschrift ohne Weiteres vereinbar, wenn man die Betonung auf "angemessen" legt statt auf "einer". Eine angemessene Ausbildung in diesem Sinne liegt dann vor, wenn der erlangte oder erstrebte Abschluss dem Kind eine eigene, nach den Umständen des Einzel...

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