I. Einleitung

Dieser Beitrag soll als Arbeitshilfe dienen, indem er den Praktiker für ausgewählte Probleme sensibilisiert, die sich im Zusammenhang mit der Prüfung des Anspruchs eines ein nichteheliches Kind betreuenden Elternteils nach § 1615l BGB ergeben können. Dazu werden die Fragen, die sich im Rahmen der Überlegungen zur Lösung eines Beispielsfalles stellen, komprimiert erörtert.

II. Fallbeispiel

Ausgangspunkt der Überlegungen ist dieser fiktive Sachverhalt:

 
Praxis-Beispiel

F lernt zu Beginn ihres Lehramtsstudiums den M kennen und zieht mit ihm zusammen. Beide pflegen dank eines außergewöhnlich hohen Einkommens des M einen sehr aufwändigen Lebensstil. F, die in beiden Staatsexamina gute Noten erzielt, wird von M schwanger. Kurz nach dem zweiten Staatsexamen bringt sie am 1.9.2010 das gemeinsame Kind K zur Welt. Ende August 2011 trennen sich F und M.

F zieht mit K in eine Mietwohnung. Im September 2012 tritt F eine Vollzeitstelle als Lehrerin an einer Schule in ihrer Nachbarschaft an, aus der sie ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 2.500 EUR erzielt. Etwa zeitgleich beginnt sie eine Beziehung mit dem Studenten S.

Während ihrer Arbeitszeit zwischen 8.00 Uhr und 14.00 Uhr stellt sie die Betreuung von K in einer Krippe und durch ein Kindermädchen sicher. Hierfür muss sie monatlich 500 EUR aufwenden. Ab September 2013 besucht K einen Kindergarten, in dem er werktags von 7.30 Uhr bis 14.30 Uhr betreut wird. Den Kindergartenbeitrag zahlt M. F setzt ihre Vollzeittätigkeit zunächst fort.

Im Oktober 2013 zieht S mit ihr und K zusammen. Ab Februar 2014 reduziert F ihre Arbeitszeit auf 50 % bei ebenfalls hälftiger Reduzierung ihres Einkommens, weil K Störungen im Sozialverhalten entwickelt, die nach kinderpsychologischer Einschätzung in entsprechendem Umfang eine persönliche Betreuung durch F notwendig machen. Ab September 2014 verkürzt sie ihre Arbeitszeit sodann auf nur noch 25 %, weil sie sich nebenberuflich zur Yogalehrerin ausbilden lassen möchte.

Im Januar 2015 verstirbt M, der von seinem Neffen N beerbt wird. Im Juni 2015 heiraten F und S.

III. Überlegungen zur Lösung des Falles

Wie ist es um den Anspruch der F auf Betreuungsunterhalt nach der Trennung von M bestellt?

1. Situation bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des K

Dem Grunde nach kann F von M bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des K Betreuungsunterhalt nach § 1615l Abs. 2 S. 2 und 3 BGB verlangen (sog. "Basisunterhalt"). Nach § 1615l Abs. 2 S. 2 BGB steht der Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes über die Dauer des Mutterschutzes hinaus ein Unterhaltsanspruch gegen den Vater zu, wenn von ihr wegen der Pflege und Erziehung eines Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Gemäß § 1615l Abs. 2 S. 3 BGB besteht die Unterhaltspflicht des betreuenden Elternteils für mindestens drei Jahre nach der Geburt des Kindes. In diesem Zeitraum besteht für F wegen der Pflege und Erziehung des K keine Erwerbsobliegenheit. Denn der Gesetzgeber hat dem betreuenden Elternteil die freie Entscheidung eingeräumt, ob er das Kind in dessen ersten drei Lebensjahren in vollem Umfang selbst betreuen oder andere Betreuungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen will.[1]

Für die Bemessung der Höhe des Unterhaltsanspruchs der F ist zunächst ihr Bedarf zu ermitteln. Dieser richtet sich gemäß §§ 1615l Abs. 3 S. 1, 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Bedürftigen.[2] Wodurch wird diese bestimmt? Der BGH hat in seiner früheren Rechtsprechung allein auf die bis zur Geburt des Kindes erreichte Lebensstellung abgestellt.[3] Das hätte für F bedeutet, dass lediglich die Höhe ihrer Bezüge während des Referendariats bedarfsbestimmend gewesen wäre, nicht aber die Höhe des nach Abschluss der Ausbildung zu erwartenden Einkommens.[4]

Diese Betrachtungsweise hat der BGH nunmehr aufgegeben und betont, dass die Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten nicht auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes festgeschrieben ist, sondern sich nach den Einkünften richtet, die er ohne die Geburt und die Betreuung des Kindes hätte.[5] Es ist mithin eine Prognoseentscheidung dahingehend erforderlich, wie sich das Einkommen des betreuenden Elternteils ohne die Geburt des Kindes entwickelt hätte.

 
Hinweis

Praxishinweis

Hierzu bedarf es im Unterhaltsverfahren eines besonders sorgfältigen und konkreten Sachvortrags seitens des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Unterhaltsberechtigten.

Aufgrund des erfolgreichen Abschlusses ihrer Ausbildung im Sommer 2010 kann im Beispielsfall davon ausgegangen werden kann, dass F ohne die Geburt und Betreuung des K Ende August 2011 bereits im erlernten Beruf gearbeitet hätte. Ihre Lebensstellung wird daher durch das Einkommen geprägt, das sie aus einer Vollzeittätigkeit als Lehrerin erzielen könnte. Dies sind, wie die Arbeitsaufnahme ab September 2012 zeigt, monatlich netto 2.500 EUR. Auf diesen Betrag beläuft sich der Bedarf der F.[6]

Lässt sich möglicherweise ein darüber hinausgehender Bedarf der F aus dem außergewöhnlich hohen Einkommen des M herleiten? Anders als beim nachehelichen Unterhalt, bei dem die ehelichen Lebensverhältnisse den Bedarf bestimmen (§ 1578 BGB), kommt es ...

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