Die fehlende Kooperationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft können nur dann der Begründung gemeinsamer elterlicher Sorge entgegenstehen, wenn anhand konkreter und nach Inhalt und Ablauf dargestellter Anlässe und Entscheidungen festgestellt werden kann, dass Bemühungen um eine gemeinsame Elternentscheidung stattgefunden haben und erfolglos geblieben sind und in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben werden.[31] Die bloße Gefahr von Meinungsverschiedenheiten reicht nicht aus. Zur Normalität in Eltern-Kind-Beziehungen gehört es, dass unterschiedliche Auffassungen über Einzelfragen der Erziehung bestehen und sich ggf. erst daraus die beste Lösung für das Kind entwickelt.[32] Sind allerdings die Lebenswelten der Eltern extrem unterschiedlich, so kann das im Einzelfall dafür sprechen, dass eine notwendige Kooperationsfähigkeit nicht gegeben sein wird.[33] Auch eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren hinsichtlich des Sorgerechtes und des Umgangsrechtes sprechen gegen eine Kooperationsfähigkeit zwischen den Eltern.[34] Die fehlende Kooperationsfähigkeit kann auch an einer starren Haltung eines Elternteiles liegen, der ohne Kompromissbereitschaft auf allein ichbezogenen Positionen beharrt.[35] In einem solchen Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass das Kind durch die wiederholten Konflikte der Eltern weiter belastet wird, weil der Elternkonflikt weiter verschärft wird.[36]

Die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge bzw. die Ablehnung ihrer Begründung setzt voraus, dass der Elternstreit sich negativ auf das Kindeswohl auswirkt und des Weiteren die gemeinsame elterliche Sorge nicht geeignet ist, zur Auflösung des Elternkonfliktes beizutragen.[37] Die Eltern sind verpflichtet, auch Mühen und Anstrengungen auf sich zu nehmen, um gemeinsame Lösungen für das Kind zu entwickeln.[38] Aber auch hier darf nicht verkannt werden, dass Sorgerechtsentscheidungen kein Mittel sind, kooperationsunwillige Elternteile zu sanktionieren. Ebenso wenig sind sie dazu da, zugunsten des antragstellenden Elternteils für Gerechtigkeit zu sorgen.[39]

[31] OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.4.2015 – 18 UF 253/14, zitiert nach juris.
[32] OLG Karlsruhe FamRZ 2015, 2168.
[33] OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.4.2015 – 18 UF 243/14, zitiert nach juris.
[34] KG FamRZ 2014, 1375.
[35] KG FamRZ 2013, 1409.
[36] OLG Brandenburg NJW 2014, 233; OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 490; OLG Koblenz FamRZ 2014, 1855; OLG Frankfurt FF 2014, 465 m. Anm. Rixe; NZFam 2014, 807.
[37] OLG Brandenburg FamRZ 2016, 240.
[38] BT-Drucks 17/11048, 17, 18.

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