Der Bedarf umfasst alle zum Leben benötigten Mittel. Durch den Pflegeanteil treffen wir unterhaltsrechtlich auf einen außergewöhnlich hohen Mehrbedarf, den viele nicht mehr aus ihrem laufenden Einkommen aufbringen können, und der durch die Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung nur teilweise aufgefangen wird. Bei den vorgegebenen Heim- und Pflegekosten erscheint dessen Höhe auf den ersten Blick evident. Sie setzen sich zusammen aus dem jeweiligen Pflegesatz zuzüglich Hotelkosten – Unterkunft und Verpflegung – sowie 107 EUR als Barbetrag zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse (§ 27b Abs. 2 SGB XII),[16] die nicht durch die Sachleistungen gedeckt sind. Gleichwohl ist das Niveau des unterhaltsrelevanten Bedarfs bescheiden. Da die Pflegebedürftigkeit auf einer individuellen, schicksalhaften Entwicklung beruht, müssen die Eltern ein damit verbundenes Absenken ihrer eigenen Lebensstellung hinnehmen. Der Unterhalt dient nicht dazu, ein früher erreichtes Lebensniveau zu konservieren, er deckt im Ergebnis nur das Existenzminimum ab.[17] Ausnahmen können relevant werden, wenn Eltern den Heimaufenthalt zunächst selbst tragen konnten, dann aber aufgrund veränderter Kosten oder eines erhöhten Pflegbedarfs bedürftig werden und ihnen der Wechsel in ein günstigeres Heim nicht mehr zuzumuten ist.[18] Entsprechendes gilt, wenn die Kinder bei der Auswahl des Heimplatzes mitgewirkt haben. Anfangs in der Literatur geäußerte Befürchtungen, die Kinder würden auch noch zu den Kosten eines luxuriösen Heimes mit Schwimmbad und Wellness-Oase herangezogen,[19] erwiesen sich jedoch als unberechtigt.

Trotz des nur existenzsichernden Niveaus bleibt aus der Sicht des Unterhaltspflichtigen die Frage nach der Angemessenheit eines Bedarfs, der inzwischen eine Höhe erreicht, den viele der Betroffenen nicht aus eigenen Mitteln aufbringen können und bei dem der in der Praxis realisierte Elternunterhalt oft nur Zuschusscharakter hat, weil er ebenfalls noch weit von einer Bedarfsdeckung entfernt ist. Die Heimkosten werden durch viele Faktoren beeinflusst. Besonders hinzuweisen ist auf die Investitionskosten. Diese betragen im Bundesdurchschnitt 420 EUR, aber auch Beträge von 750 EUR sind keine Ausnahme. Das Grundkonzept der Pflegeversicherung sah eigentlich vor, die mit deren Einführung verbundenen Einsparungen im Sozialhaushalt zumindest teilweise in die Förderung der Infrastruktur umzuleiten.[20] Nun haben die Länder bei der in ihre Kompetenz fallenden Gestaltung pflegerischer Infrastruktur einen sehr weiten Gestaltungsspielraum. Soweit Fördermaßnahmen unterbleiben, schlagen die Investitionskosten in voller Höhe auf den Pflegesatz durch. Mit anderen Worten: Die Struktur der Landeshaushalte bedingt einen die anfänglichen Vorstellungen des Gesetzgebers übersteigenden Pflegesatz und strahlt damit auf den unterhaltsrechtlichen Bedarf aus. Wird die Berechtigung der Investitionskosten trotz Bestreitens nicht dargelegt, bleiben sie bei der Bemessung dieses Bedarfs unberücksichtigt.[21]

[16] Es besteht eine Bedarfskonkurrenz zu dem Regelsatz der sozialen Grundsicherung. Denn aus diesem sind genau die Bedarfe zu decken, für die der Barbetrag nach § 27b SGB XII bestimmt ist. Während im Rahmen der Grundsicherung die Regelleistung nicht dem Regress unterliegt, wird der Barbetrag nach § 27b BGB nicht vom Anspruchsübergang ausgenommen.
[19] Diederichsen, FF 2003, 8; FF 2000 Sonderheft, S. 7.
[20] Udsching, in: FS Ruland, Versorgung bei Pflegebedürftigkeit im Alter – Interdependenzen von Renten- und Pflegeversicherung, S. 559 (563); Udsching, SGB XI, 3. Aufl. 2010, § 82 Rn 15.
[21] OLG Karlsruhe, Beschl. v. 31.7.2014 – 16 UF 129/13, FamRZ 2015, 515 (LS, nachfolgend BGH, Beschl. v. 17.6.2015 – XII ZB 458/14); zur Wechselbeziehung von öffentlicher Förderung und pflegesatzerhöhenden Investitionskosten s. auch Udsching, Versorgung bei Pflegebedürftigkeit im Alter, in: FS Ruland (2007), S. 599, 563.

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