Im vorliegenden Abänderungsverfahren hinsichtlich eines Titels über nachehelichen Unterhalt betont der BGH erneut, dass die Anpassung von Vergleichen an geänderte tatsächliche Verhältnisse nach den Regeln des materiellen Rechts verläuft, wobei die getroffenen Vereinbarungen der Parteien über die Abänderbarkeit vorrangig vor den gesetzlichen Regelungen über den Wegfall oder die Störung der Geschäftsgrundlage zu beachten sind. Da die Beteiligten eine Abänderung des Vergleichs erleichtern oder erschweren können, ist es wichtig, sich bereits bei Abschluss eines Vergleichs konkrete Gedanken darüber zu machen, ob überhaupt und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine einvernehmlich getroffene Unterhaltsregelung in Zukunft – insbesondere im Hinblick auf eine Herabsetzung oder Befristung nach § 1578b BGB – einer Abänderbarkeit unterliegen soll, und das Ergebnis dieser Überlegungen, gegebenenfalls mit den Grundlagen der getroffenen Regelung, zur Vermeidung einer künftigen Rechtsunsicherheit im Vergleich unmissverständlich festzuhalten. Hierbei kann – wie der vorliegende Fall zeigt – auch eine Klarstellung helfen, dass bestimmte Rechtsstandpunkte nicht "wegverglichen" wurden, sondern in einem späteren Abänderungsverfahren ohne zwischenzeitliche Änderung der Verhältnisse uneingeschränkt wieder aufgegriffen werden können, da der Unterhalt im Fall einer Abänderung ohne jede Bindung an die Vergleichsgrundlagen in freier Neuberechnung bemessen werden soll.

Dies betraf vorliegend die auch zuvor streitige Frage des Umfangs der Erwerbsobliegenheit der Beklagten, die zum Zeitpunkt der Ehescheidung im zeitlichen Umfang von 25 Wochenstunden als angestellte Pflegerin bei der Diakonie beschäftigt war und zusätzlich eine Nebenbeschäftigung als Pflegerin in einem Privathaushalt aufgenommen hatte. Im Rahmen der für einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB zu klärenden Frage, ob die Beklagte eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt oder ausüben könnte und daher nicht bereits aufgrund eines anderen gesetzlichen Tatbestandes (§§ 1570 bis 1572, 1573 Abs. 1 und Abs. 4 BGB) Unterhalt beanspruchen kann, kam der BGH zu der Feststellung, dass auch in der Ausübung von zwei Teilzeitbeschäftigungen eine angemessene Erwerbstätigkeit im Sinne von § 1574 BGB liegen kann. Dem kann nur zugestimmt werden, da es unterhaltsrechtlich keinen Unterschied macht, ob ein Unterhaltsberechtigter oder ein Unterhaltsverpflichteter seiner Erwerbsobliegenheit durch eine oder mehrere Beschäftigungen nachkommt, soweit er hierbei im Ergebnis eine Gesamtarbeitszeit in einem von ihm im jeweiligen Einzelfall zu fordernden Umfang erreicht. Dieser Umfang wird bis zum Erreichen der Regelaltersgrenzen nach §§ 35, 235 SGB VI bzw. § 51 BBG unter Berücksichtigung eventuell bestehender berufsbezogener Besonderheiten durch die jeweilige Erwerbsbiographie und die tatsächliche Erwerbsfähigkeit des Einzelnen festgelegt.

Demzufolge hat der BGH auch zu Recht beanstandet, dass das Berufungsgericht dem Kläger "im Rahmen der Bestimmung des nach § 1578b Abs. 1 Satz 1 BGB angemessenen Unterhalts" ohne Weiteres zugestanden hat, seine Einkünfte durch den Abschluss einer Altersteilzeit- und Aufhebungsvereinbarung zu reduzieren. Da der Unterhaltspflichtige einen nach dem Gesetz bestehenden nachehelichen Unterhaltsanspruch nicht unterhaltsbezogen mutwillig oder leichtfertig gefährden darf, hätte vielmehr aufgeklärt werden müssen, ob dem Kläger ein derartiger Vorwurf der Mutwilligkeit oder Leichtfertigkeit gemacht werden kann, um eine Verletzung seiner Erwerbsobliegenheit auszuschließen. Andernfalls müssten diese Einkommensminderungen auf Klägerseite bei der Unterhaltsberechnung unberücksichtigt bleiben, da stattdessen ein fiktives Einkommen anzusetzen wäre.

Da das Berufungsgericht weiter unberücksichtigt gelassen hat, dass nach der Rechtsprechung des BGH[1] aus dem Umstand, dass der Unterhaltspflichtige nur eine Tätigkeit ausübt, die die für eine vollschichtige Tätigkeit übliche Stundenzahl nicht erreicht, noch nicht ohne Weiteres eine entsprechende Reduzierung aufseiten des Unterhaltsberechtigten hergeleitet werden kann, wird weiter zutreffend beanstandet, dass hingenommen worden ist, dass die Beklagte nach dem Verlust ihrer Nebenbeschäftigung als Pflegerin in einem Privathaushalt im Jahre 2000 weiterhin nur noch in einem zeitlichen Umfang von 25 Wochenstunden arbeitet, ohne dass Feststellungen getroffen worden sind, ob etwa gesundheitliche oder arbeitsmarktbedingte Gründe einer Ausweitung der von der Beklagten ausgeübten Erwerbstätigkeit entgegenstehen könnten.

Dies führt ebenso zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz, wie die uneingeschränkte Einbeziehung von Kapitaleinkünften des Klägers aus Zinserträgen, die aus einem erst nach Rechtskraft der Ehescheidung geerbten Geldvermögens stammten. Bereits das BVerfG hatte sich in seinem Beschluss vom 25.1.2011,[2] indem festgestellt worden war, dass die Rechtsprechung des ...

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