Nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB "ist" dem Antrag eines getrennt lebenden Elternteils, ihm die elterliche Sorge ganz oder teilweise allein zu übertragen, stattzugeben, "soweit" der andere Elternteil konkret und eindeutig zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung. Das Gericht ist – falls ein Widerspruch des Kindes ausscheidet und der auch hier greifende Vorbehalt des § 1671 Abs. 3 BGB nicht greift – bei einer Teilentscheidung somit gezwungen, entsprechend der gestellten Anträge die elterliche Sorge aufzuspalten und lediglich einen Teilbereich zu übertragen.[28] Die Eltern haben – wie Schwab/Motzer formulieren[29] – einen aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG hergeleiteten Anspruch auf antragsgemäße Entscheidung, wenn die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt sind, und das gilt auch – wie sie weiter ausführen – für die einvernehmliche Aufteilung der elterlichen Sorge.[30]

Aber auch im Rahmen von § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB kann es allein aufgrund der Antragstellung für den Richter zwingend geboten sein, die elterliche Sorge aufzuteilen und einem der getrennt lebenden Elternteile nur einen Teil der elterlichen Sorge zu übertragen.[31] Um einen solchen Fall ging es auch in der hier veröffentlichten Entscheidung. Die Eltern streiten hier lediglich um das Aufenthaltsbestimmungsrecht, so dass über die elterliche Sorge im Übrigen nicht entschieden werden durfte. Das hat das Gericht richtig erkannt (s. oben Rn 24 a.E.). Allerdings war das Gericht im Rahmen dieser Nr. 2 freier, da nunmehr zu prüfen und zu entscheiden war, ob die teilweise Aufhebung und Übertragung der elterlichen Sorge auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes entspricht. Zudem gilt auch hier der Vorbehalt in § 1671 Abs. 3 BGB.[32] Diese Vorschrift enthält eine "stille Verweisung"[33] auf §§ 1666, 1666a BGB – nicht jedoch auf § 1697a BGB.[34]

Zu einer vom Richter im Kindeswohl nicht überprüfbaren Aufsplitterung der elterlichen Sorge kann es somit kommen, wenn die getrennt lebenden Eltern in einer Aufspaltung und entsprechenden Aufteilung der elterlichen Sorge unbeirrbar eine Lösung sehen, die jedenfalls derzeit in ihren Augen eine nicht nur vorübergehende, zufriedenstellende Regelung bringt. Zu einer Aufspaltung elterlicher Sorge und Aufteilung in verschiedene Bereiche kann es indes auch dann kommen, wenn der Richter den Beteiligten hiermit eine Lösung offeriert, mit der er "die Kuh vom Eis kriegt", die Akte so vom Tisch bekommt.

Im Rahmen von § 1671 Abs. 2 Nr. 1 wie Nr. 2 BGB kann der Richter somit in eine Lage kommen, in der er sehenden Auges allein aufgrund der Antragstellung die elterliche Sorge aufteilen muss, obschon diese Aufteilung seiner Überzeugung nach dem Wohl des Kindes nicht dienlich ist. Die Literatur hat dieses Dilemma erkannt und Wege aufgezeigt, aus dieser Klemme möglichst herauszukommen.[35] Das Gericht kann seine Bedenken gegen die Aufteilung der elterlichen Sorge den Beteiligten mitteilen und vor allem bei der Anhörung auf eine Antragsänderung drängen. Es kann ferner die Beratung durch das Jugendamt aktivieren sowie einen Verfahrensbeistand nach § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG bestellen.[36] Wenn all dies nicht hilft, bleibt es indes bei dem aufgezeigten Dilemma.

Aber auch wenn die Übertragung der elterlichen Sorge insgesamt beantragt wird, muss das Gericht, wenn die Voraussetzungen hierfür nur teilweise erfüllt sind, nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sich mit einer Teilentscheidung – als milderes Mittel – begnügen, "wo immer dies dem Kindeswohl Genüge tut".[37]

Es stellt sich dann die Frage, in welchem Ausmaß eine solche Aufteilung der elterlichen Sorge sinnvoll und dem Wohl des Kindes dienlich ist. Sicherlich gibt es Fallgestaltungen, wo eine solche Aufspaltung angebracht ist,[38] vor allem bei Abspaltung des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Auch wenn keine Dauerkonflikte drohen, bietet sich eine solche Lösung an.[39] Im Hinblick auf Entscheidungen, die erst Jahre später zu treffen sind, z.B. bei der Berufswahl des Kindes, ist eine Aufspaltung auch in zeitlicher Hinsicht oft sinnvoll und zulässig.[40]

Wenngleich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Aufteilung volle Gestaltungsfreiheit gewährt,[41] ist vor Aufteilungskonstruktionen zu warnen, die "allzu ausgeklügelt"[42] sind oder die aufgeteilten Bereiche nur schwer voneinander abgrenzbar sind.[43] Grundsätzlich ist vor einer allzu häufigen Aufteilung zu warnen.[44] Die kindliche Lebenswelt ist in Gefahr, hierdurch künstlich zerschnitten zu werden, wodurch wiederum leicht Konfliktlagen erwachsen. Allzu oft ist die Aufspaltung der elterlichen Sorge ein Zaubertrick, mit dem die Eltern im Moment eine zufriedenstellende Einigung erzielen, die auf Dauer nicht hält und schon daher für das Kind nicht gut ist.[45]

Mitgeteilt und kommentiert von Dr. Hans van Els, Richter am AG a.D., Solingen

[28] Hoppenz/van Els, Familiensachen, 9. Aufl., § 1671 BGB Rn 7; Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 5. Aufl., § 1671 BGB Rn 18/20; Schwab/Motze...

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