Einführung

Entschließen sich Eheleute zur Trennung mit der Absicht, nach Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen auch das Scheidungsverfahren einzuleiten, so geht es in der anwaltlichen Beratung insbesondere um die Klärung von rein familienrechtlichen Problematiken wie Unterhalt, Sorgerecht, Hausrat, Zugewinn etc. Die Zustellung des Scheidungsantrages ist schwerpunktmäßig interessant für die Feststellung des Stichtages Endvermögen zur Vorbereitung eines Zugewinnausgleichsverfahrens; die Zustimmung zum Scheidungsantrag wird routinemäßig gerade bei der einverständlichen Scheidung schnell abdiktiert und auch schon im laufenden Prozesskostenhilfeverfahren als Erklärung des Mandanten an das Gericht weitergeleitet. In vielen Scheidungsfolgenverträgen übernimmt man gern den fast in jedem Formularbuch empfohlenen kurzen gegenseitigen Erb- und Pflichtteilsverzicht. In glücklicherweise vielen Fällen ist das manchmal fehlende Problembewusstsein auch völlig schadlos, da die meisten Mandanten und ihre Ehepartner das Scheidungsverfahren gesund überleben. Problematisch wird das Ganze erst dann, wenn einer der Eheleute, auch womöglich im laufenden Scheidungsverfahren verstirbt und in diesem Moment schlagartig das Ehegattenerbrecht akute Bedeutung gewinnt, zumal der den Scheidungsfolgenvertrag beurkundende Notar nur subsidiär haftet und sehr schnell auf den zumeist auch noch namentlich in der Urkunde aufgenommenen anwaltlichen Berater verweist.[1] Um diesem Dilemma aus dem Weg zu gehen, ist es sinnvoll, sich über die erbrechtlichen Folgen der Scheidung und auch gegebenenfalls über Gestaltungsmöglichkeiten Gedanken zu machen.

[1] Zur Anwaltshaftung, wenn dies unterblieben ist, auch gegenüber in den Schutzbereich des Anwaltsvertrags einbezogenen Kindern des Erblassers, BGH NJW 1995, 51 = ZEV 1994, 358 (Bengel).

1. Die Scheidung und Konsequenz für das gesetzliche Erbrecht

Ausgangspunkt ist der vom Gesetzgeber klar und unmissverständlich formulierte § 1931 BGB. Der Überlebende der Ehegatten wird Erbe, was zwingend eine zum Erbfall bestehende Ehe voraussetzt. Mit der Rechtskraft der Scheidung ist dieses nicht mehr gegeben, so dass auch das gesetzliche Erbrecht entfällt. In § 1933 BGB hat der Gesetzgeber den Zeitpunkt des Entfallens des gesetzlichen Erbrechtes zeitlich vorgeschoben. Nicht nur bei Rechtskraft der Scheidung entfällt das gesetzliche Erbrecht, sondern bereits schon dann,

a) wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung gegeben waren und

b) der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte.

Gem. § 1933 S. 2 BGB gilt dieses auch, wenn der Erblasser berechtigt war, die Aufhebung der Ehe zu beantragen, und den Antrag gestellt hat.

Für die anwaltliche Beratung ist folgendes zu berücksichtigen:

Zustellung des Scheidungsantrages/Eheaufhebungsantrages des Erblassers

Nach absolut herrschender Rechtsprechung muss der Scheidungsantrag/Eheaufhebungsantrag vor dem Tod des Erblassers zugestellt worden sein, um die Wirkungen des § 1933 BGB zu entfachen. Erst mit der Zustellung tritt die Rechtshängigkeit ein und nur diese entfaltet die Wirkung des § 1933 S. 1 BGB, was mit der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Bestimmung begründet wird.[2] Auf Grund der doch erheblichen Folgen des § 1933 BGB, immerhin Aufhebung des gesetzlichen Ehegattenerbrechts, gibt es auch keine Rückbeziehung der Zustellungswirkungen des § 270 Abs. 3 ZPO bei der Zustellung demnächst.[3]    Dieses leuchtet auch ein, da es bei der gesetzlichen Aufhebung des Ehegattenerbrechtes nicht um eine Fristwahrung i.S. des § 167 ZPO geht. Die völlig andere Interessenslage rechtfertigt auch keine entsprechende Anwendung.[4] Der Prozesskostenhilfeantrag reicht nicht, um zu den Wirkungen des § 1933 BGB zu kommen.[5] Wichtig ist ferner, dass der Erblasser den Scheidungsantrag gestellt hat. Stellt der andere Ehegatte den Scheidungsantrag, ist dieser auch zugestellt, hat sich aber der Erblasser völlig passiv verhalten, so bleibt das Ehegattenerbrecht des Überlebenden bestehen. Nimmt der die Scheidung begehrende Ehegatte den Scheidungsantrag zurück, entfallen damit die Wirkungen des § 1933 BGB. Bei wirksamer Rücknahme des Scheidungsantrages ist das Verfahren nach §§ 608, 626 i.V.m. 269 Abs. 3 ZPO als nicht rechtshängig geworden anzusehen, mit der Folge, dass auch die Zustimmung des Erblassers zur Scheidung ihre Wirkung verliert.[6] Dabei berührt die Motivation die Zulässigkeit der Rücknahme nicht.[7] Das ist bereits eine Haftungsfalle, die sich leicht umgehen lässt, indem ein eigener Scheidungsantrag – sofern der Mandant die Wirkungen des § 1933 BGB herbeiführen möchte – gestellt wird.

Umgekehrt kann sich natürlich auch eine Sachlage ergeben, bei der es angebracht ist, die Wirkungen des § 1933 BGB für den Mandanten entfallen zu lassen. In diesem Fall kann man nur zur Passivität raten. Hat man vorschnell einen Scheidungsantrag gestellt, zu dem der vermögende, vielleicht auch noch schwerkranke Ehegatte zugestimmt hat, kann man nach seinem Tod im Scheidungsverfahren durch Rücknahme des Scheidungsantrages den eigene...

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