Große Verunsicherung ist in der Praxis durch die Entscheidung des OLG Hamburg[1] entstanden. Erstmalig stellte sich ein Gericht auf den Standpunkt, dass vor Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses die Teilungsversteigerung des Einfamilienheims generell nicht möglich sei. Selbst nachdem in den Beschlussgründen ein Verstoß gegen § 1365 BGB und auch gegen den Gesichtspunkt der ehelichen Rücksichtnahme (§ 1353 BGB) abgelehnt worden war – letzteres alleine schon wegen der langjährigen Trennung – wurde die Lösung über § 242 BGB gesucht. Begründung: Aufgrund der neuen Rechtsprechung des BGH bleibe der Charakter der Ehewohnung bis zur Rechtskraft der Scheidung bestehen. Da die Herausgabe gem. § 985 BGB durch die Spezialvorschrift des § 1361b BGB verdrängt werde, dürfe auch keine Veräußerung erfolgen. Dieser Beschluss ist in Rechtsprechung und Literatur auf eine ebenso einhellige wie vehemente Ablehnung gestoßen.[2] Als Argumente werden immer wieder angeführt:

Eine dem § 1361 BGB entsprechende Norm fehlt bei der Veräußerung.[3]
Das ZVG lässt weiterhin trotz Beschlagnahme eine Veräußerung des Anteils zu. § 1361b BGB ermöglicht schon aus verfassungsrechtlichen Gründen grundsätzlich keine dauerhafte Verfügungsbeschränkung.[4]
Der Rechtsfrieden wird nachhaltig gestört, indem der im Haus lebende Ehepartner nunmehr geradezu dazu animiert wird, durch Folgeanträge das Scheidungsverfahren bis zum "Sankt Nimmerleinstag" zu verlängern.

Das OLG Dresden schließt sich zu Recht dieser ganz herrschenden Meinung an. Von seinem Standpunkt aus folgerichtig prüft der Senat die beiderseitigen Interessenlagen. In einer sorgfältigen Abwägung werden die Argumente des Antragstellers der Teilungsversteigerung als vorzugswürdig angesehen. Im Hinblick auf seine gesundheitliche und finanzielle Situation sei er auf eine zeitnahe Liquidität angewiesen. Demgegenüber konnte die Nutzerin des Hauses keine triftigen Gründe anführen. Ohnehin ist unklar, wie sie trotz gestiegener Grundstückspreise und VKH-Bewilligung eine Auszahlung des anderen Halbanteils gewährleisten will. Ihr Hinweis auf hochstreitige Forderungen aus Zugewinn und Unterhalt ist ein ungedeckter Scheck auf die Zukunft. Angesichts der jetzt gefestigten Rechtsprechung des BGH zu den Zurückbehaltungsrechten im Rahmen der Erlösverteilung[5] sind diese grundstücksfremden Gegenrechte jedenfalls nicht einredefähig.

So sehr die Abwägung der Interessen in den Beschlussgründen überzeugt, so problematisch ist die These, dass das Problem unter Berücksichtigung der ehelichen Rücksichtnahme (§ 1353 BGB) zu lösen sei. Vor allen Dingen ist die These fragwürdig, dass bei gleichrangigen Interessen die Teilungsversteigerung zurückgestellt werden müsse.[6] Zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung war der Beschluss des BGH vom 24.11.2021[7] noch nicht bekannt. Diese Entscheidung, welche sich mit dem Unterrichtungsanspruch gemäß § 1385 Ziffer 4 BGB befasst, schließt einen solchen Anspruch mit dem Scheitern der Ehe aus (§ 1353 Abs. 2 a.E. BGB). Über die Frage des Scheiterns muss im Einzelfall entschieden werden, wobei sowohl vor wie nach dem Trennungsjahr die Ehe gescheitert sein kann. Die Möglichkeit, einen Scheidungsantrag erst mit Ablauf der Jahresfrist zu erheben, ist nicht ausschlaggebend. Soll der grundsätzlich Pflichtige u.U. schon vor Ablauf der Jahresfrist wegen der Zerrüttung der Ehe keine Unterrichtung mehr schulden, andererseits aber seinen Miteigentumsanteil auf Jahre dem anderen Ehepartner zur Nutzung zur Verfügung stellen müssen, ohne die Auflösung betreiben zu dürfen?

Gesetzlicher Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung sind die §§ 749, 753 BGB. Danach hat jeder der Ehepartner einen jederzeitigen Anspruch darauf, zeitnah die Auseinandersetzung durchsetzen zu können. Gerade dieses Recht hebt der Evaluierungsbericht des BMJ aus dem Jahre 2017 ("Das ZVG auf dem Prüfstand") auf S. 307 ff. besonders hervor. Ein Aufhebungsausschluss ist nicht der gesetzliche Regelfall, vielmehr die Ausnahme. Nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen ist diese Ausnahme von dem Betreffenden, der sich hierauf beruft, darzulegen und nachzuweisen. Wenn – wie hier – beide Eheleute seit Jahr und Tag getrennt leben, beide die Scheidung beantragen und sogar die Dreijahresfrist des § 1566 Abs. 2 BGB verstrichen ist, muss nach der gesetzlichen Vermutung davon ausgegangen werden, dass die Ehe gescheitert ist. Damit kann der Ausgangspunkt der Rücksichtnahme auf die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr tragend sein. Diese Rücksichtnahme endet nämlich, wenn die Ehe gescheitert ist (§ 1353 Abs. 2 a.E. BGB). Gerade aus diesem Grunde hatte das OLG Hamburg wohl auch nicht diese Vorschrift, vielmehr § 242 BGB als Anspruchsgrundlage für den Ausschluss angesehen. Die Rechtsprechung, welche bei einem "Patt" der Interessenlagen zugunsten eines Ausschlusses der Teilungsversteigerung entscheidet, widerspricht im Übrigen der Intention des ZVG-Gesetzgebers. Dieser hat die Vorgaben der §§ 749, 753 BGB umgesetzt. Nur dort wurden Schranken g...

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