BGB § 985 § 1568a; FamFG § 200 § 266

Leitsatz

1. Der aus dem Eigentum folgende Herausgabeanspruch eines Ehegatten ist auch nach Rechtskraft der Scheidung nicht zulässigerweise als sonstige Familiensache im Sinne des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG durchsetzbar, solange der Anwendungsbereich des § 1568a BGB und damit das Ehewohnungsverfahren nach § 200 Abs. 1 Nr. 2 FamFG eröffnet ist (Fortführung von Senatsbeschl. v. 28.9.2016 – XII ZB 487/15, BGHZ 212, 133 = FamRZ 2017, 22). (Rn 12)

2. Ob es sich (noch) um eine Ehewohnung im Sinne des § 1568a BGB handelt, ist nach der Situation im Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung und nicht bezogen auf den Zeitpunkt der die Wohnung betreffenden Entscheidung zu beurteilen. (Rn 18)

3. Der Anspruch auf Überlassung der Ehewohnung gemäß § 1568a Abs. 1 und 2 BGB erlischt ein Jahr nach Rechtskraft der Ehescheidung, wenn er nicht vorher rechtshängig gemacht worden ist. (Rn 22)

BGH, Beschl. v. 10.3.2021 – XII ZB 243/20 (OLG Hamm, AG Lemgo)

Aus den Gründen

Gründe: A. [1] Der Antragsteller verlangt von der Antragsgegnerin, von der er seit Dezember 2015 rechtskräftig geschieden ist, die Herausgabe einer in seinem Alleineigentum stehenden Wohnung.

[2] Die Wohnung wurde von den Beteiligten während der Ehe gemeinsam bewohnt und wird seit der im Jahre 2014 erfolgten Trennung allein von der Antragsgegnerin genutzt. Die Antragsgegnerin war ursprünglich Alleineigentümerin einer anderen, im selben Haus gelegenen Wohnung, die sie im Jahre 2016 unentgeltlich auf einen Sohn übertrug. Sie zahlt an den Antragsteller weder Miete oder Nutzungsentschädigung noch trägt sie die verbrauchsabhängigen Kosten. Zahlungsaufforderungen des Antragstellers sind ebenso erfolglos geblieben wie Herausgabeverlangen.

[3] In einem früheren Verfahren wurde der auf § 985 BGB gestützte Herausgabeantrag des Antragstellers vom Amtsgericht mit Beschl. v. 17.3.2017 rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen, weil nur eine Ehewohnungssache in Betracht komme. In einer nachfolgenden, ebenfalls vom Antragsteller angestrengten Ehewohnungssache ordnete das Amtsgericht mit Beschl. v. 3.11.2017 zwar die Herausgabe der Wohnung nach einer Übergangsfrist an; das Oberlandesgericht hob diese Entscheidung jedoch auf und wies den Antrag als in dieser Verfahrensart unzulässig ab, weil die Jahresfrist des § 1568a Abs. 6 BGB verstrichen sei (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 27.2.2018 – 9 UF 211/17, juris).

[4] Daraufhin hat der Antragsteller beim Amtsgericht erneut einen auf § 985 BGB gestützten Räumungs- und Herausgabeantrag gestellt, dem das Amtsgericht durch Beschl. v. 21.2.2019 mit einer Räumungsfrist bis spätestens zum 31.5.2019 entsprochen hat. Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.

[5] Hiergegenrichtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.

B. [6] Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

I. [7] Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

[8] Der Rückgriff auf § 985 BGB sei vorliegend nicht durch § 1568a BGB gesperrt. Ein Ehegatte könne vom anderen ab Rechtskraft der Scheidung nicht ohne jegliche zeitliche Befristung gestützt auf die Sonderregelung des § 1568a Abs. 1 BGB Überlassung einer in dessen Eigentum stehenden Immobilie beanspruchen, da ansonsten eine tatsächlich nicht mehr vorhandene, noch aus dem Eheband resultierende Einstandspflicht dauerhaft fortgeschrieben und fingiert würde. Die Voraussetzungen der §§ 985, 986 BGB lägen auch vor. Die Antragsgegnerin habe kein Recht zum Besitz. Als solches könnte zwar auch eine Zuweisung nach § 1568a BGB in Betracht kommen, die die Antragsgegnerin aber weder erwirkt habe noch deren Voraussetzungen ausreichend dargetan seien. Ungeachtet der von der Antragsgegnerin angeführten gesundheitlichen Probleme verbiete sich die Annahme einer unbilligen Härte hier schon deshalb, weil die Antragsgegnerin sich freiwillig und ohne Not ihrer im selben Haus gelegenen Wohnung begeben habe.

[9] Soweit die Antragsgegnerin im Rahmen der Beschwerde hilfsweise – und ohne näher zu präzisieren, was damit gemeint sei – um Gewährung von Räumungsschutz ersuche, hindere dies weder ihre Inanspruchnahme noch könne es ihr teilweise zum Erfolg verhelfen. Denn über einen Vollstreckungsschutzantrag habe allein das Vollstreckungsgericht zu befinden. Sofern sie auf eine Räumungsfrist abziele, fehle es an dem rechtzeitigen Verlängerungsantrag (§ 721 Abs. 3 ZPO), da das Amtsgericht ihr bereits im angefochtenen Beschluss eine Räumungsfrist gewährt habe.

II. [10] Die angefochtene Entscheidung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Oberlandesgericht hat eine Sperrwirkung des § 1568a BGB zutreffend abgelehnt und den aus dem Alleineigentum des Antragstellers an der Wohnung folgenden Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB in rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht.

[11] 1. Das auf § 985 BGB gestützte Herausgabeverlangen des Antragstellers ist nicht durch § 1568a BGB ausgeschlossen und daher vom Oberlandesgericht zu Recht als im Familienstreitverfahren zulässig behandelt worden.

[12...

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