BGH, Beschl. v. 16.6.2021 – XII ZB 358/20

Die Beschwerdefrist gegen eine nicht dem erklärten Willen des Betroffenen entsprechende Unterbringungsgenehmigung wird nicht in Gang gesetzt, wenn der Beschluss dem Betroffenen lediglich durch Aufgabe zur Post bekanntgegeben wird. Eine Heilung der fehlerhaften Zustellung durch tatsächlichen Zugang ist in diesem Fall wegen fehlenden Zustellungswillens des Gerichts nicht möglich (Anschluss an Senatsbeschl. v. 19.2.2020 – XII ZB 291/19, FamRZ 2020, 770 und v. 24.10.2018 – XII ZB 188/18, FamRZ 2019, 477).

BGH, Beschl. v. 12.5.2021 – XII ZB 109/21

Zieht das Beschwerdegericht in einer Unterbringungssache für seine Entscheidung mit einem neuen oder ergänzenden Sachverständigengutachten eine neue Tatsachengrundlage heran, die nach der amtsgerichtlichen Anhörung datiert, so ist eine erneute Anhörung des Betroffenen geboten (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 7.12.2016 – XII ZB 32/16, FamRZ 2017, 477).

BGH, Beschl. v. 12.5.2021 – XII ZB 505/20

Eine öffentlich-rechtliche Unterbringung nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 BayPsychKHG setzt in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift voraus, dass die freie Willensbestimmung des Betroffenen aufgehoben ist.

BGH, Beschl. v. 16.6.2021 – XII ZB 554/20

a) Ein in § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG genannter naher Angehöriger des Betroffenen kann – sofern er in erster Instanz am Verfahren beteiligt war – gegen einen in der Beschwerdeinstanz abgeänderten Betreuungsbeschluss im Interesse des Betroffenen eine Rechtsbeschwerde im eigenen Namen führen, ohne dass er eine Erstbeschwerde eingelegt hatte und durch die Beschwerdeentscheidung formell beschwert ist (im Anschl. an Senatsbeschl. v. 14.10.2020 – XII ZB 91/20, FamRZ 2021, 228).

b) Zur Erforderlichkeit einer Betreuung bei Vorliegen einer Vorsorgevollmacht.

BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 8.6.2021 – 2 BvR 1866/17 – 2 BvR 1314/18

1. Staatliche Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 und 2 GG gegenüber einer untergebrachten Person können eine Zwangsbehandlung nicht rechtfertigen, wenn diese die in Rede stehende Behandlung im Zustand der Einsichtsfähigkeit durch eine Patientenverfügung wirksam ausgeschlossen hat.

2. Der Vorrang individueller Selbstbestimmung auf der Grundlage des allgemeinen Persönlichkeitsrechts setzt voraus, dass der Betroffene seine Entscheidung mit freiem Willen und im Bewusstsein über ihre Reichweite getroffen hat. Seine Erklärung ist daraufhin auszulegen, ob sie hinreichend bestimmt und die konkrete Behandlungs- und Lebenssituation von ihrer Reichweite umfasst ist.

3. Die staatliche Pflicht zum Schutz der Grundrechte anderer Personen, die mit dem Betroffenen in der Einrichtung des Maßregelvollzugs in Kontakt treten, bleibt unberührt. Die autonome Willensentscheidung des Patienten kann nur so weit reichen, wie seine eigenen Rechte betroffen sind. Über Rechte anderer Personen kann er nicht disponieren.

3. Sieht der Gesetzgeber die Maßnahme einer Zwangsbehandlung derjenigen Person vor, von der die Gefährdung anderer ausgeht, so ist er dabei an den Grundsatz strikter Verhältnismäßigkeit gebunden. Strenge materielle und verfahrensrechtliche Anforderungen müssen sicherstellen, dass die betroffenen Freiheitsrechte nicht mehr als unabdingbar beeinträchtigt werden.

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