Immer wieder wird der Sachverständige mit Gutachten zu schwierigen familiären Konstellationen beauftragt, zu denen er zum Kindeswohl Stellung nehmen sollte, obwohl hierzu weder spezifisches Fachwissen, noch Erfahrungen von Kolleginnen und Kollegen vorliegen, mit denen er sich bzgl. der Beantwortung der gerichtlichen Fragestellung austauschen könnte.

Einen solchen Fall hatte der Unterzeichner vor einiger Zeit.

Der gerichtliche Auftrag betraf eine Umgangsregelung eines nun getrenntlebenden Ehepaares.

Zur Vorgeschichte: Der Vater, ein erfolgreicher Unternehmer, gutaussehend und sportlich aktiv, lernte seine Ehefrau in Asien über das Internet kennen. Nach einem kurzen Kennenlernen reiste sie zu ihm nach Deutschland, bald kam es zur Eheschließung. Die Ehefrau lernte sehr schnell Deutsch und war bald in ihrem akademischen Beruf tätig. Kurz vor der Eheschließung, bereits in Deutschland wohnend, erfuhr sie, dass ihr zukünftiger Ehemann bereits ca. 15 Kinder durch private Becherspenden gezeugt habe. Im Rahmen der Begutachtung erklärte sie dazu, dass sie entsetzt gewesen sei, sie sich aber auf die Ehe eingelassen habe, mit dem Versprechen ihres zukünftigen Ehemannes, weitere Becherspenden zu unterlassen. Sie war bereits in Deutschland, liebte ihren Partner und die Geburt der Kinder war ja vor dem Kennenlernen und der Eheschließung erfolgt.

Aus der Ehe stammte ein hübscher Junge. Als der Junge etwa sieben Jahre alt war, erfuhr die Mutter, dass der Vater auch während der Ehezeit weiterhin mit Reagenzgläsern seinen Samen an Autobahnraststätten oder sonstigen neutralen Plätzen, Frauen oder Ehepaaren überreicht habe.

Wie der Vater gegenüber dem Sachverständigen ausführte, waren die Kontakte und Abmachungen über das Internet aufgenommen worden.

Die weiteren Vaterschaften während der Ehe erlebte die Mutter als Bruch der Vereinbarung und trennte sich. Die Eltern einigten sich, dass das Kind weiterhin bei der Mutter lebt, der Vater einvernehmlich seinen Sohn alle 14 Tage über ein verlängertes Wochenende und die Hälfte der Ferien betreut.

Der Vater brachte auch nach der Trennung weiterhin seine Viriliät zum Ausdruck. Die Kinderanzahl war zum Zeitraum der Begutachtung auf ca. 40 Kinder angestiegen.

Im Rahmen seines Umgangs besuchte der Vater mit seinem Sohn die in Deutschland verteilt lebenden Halbgeschwister, was dazu führte, dass das Kind in nahezu 14-tägigen Abständen weitere Geschwisterkinder kennenlernte. Zu sehr vielen seiner vor-, während und nachehelich gezeugten Kinder pflegte der Vater Kontakt. Eine Reihe von Müttern oder Eltern verfassten für die Begutachtung den Vater unterstützende Schriftsätze, wie fürsorglich, kontaktfreudig und kooperationsbereit der Vater sei, und wie wohl sich der Junge mit den Halbgeschwistern fühle.

Die Mutter erlebe das Kind nach den Wochenenden mit dem Vater belastet. Sie argumentierte, dass der Junge nahezu jedes zweite Wochenende oder in den Ferien andere Familien kennenlerne. Zudem sei für ihren Sohn in der Schule die Frage nach seinen Geschwistern peinlich, deren Zahl sich zudem jährlich vergrößere.

Die Fragestellung beinhaltete im Wesentlichen den Konflikt, ob es dem Kindeswohl dienlich ist, 14-tägig mit dem Vater Kontakt zu haben und dabei Kontakt zu weiteren Geschwistern aufzunehmen.

Das Kind selbst wünschte sich das Zusammensein mit dem Vater, weniger die Besuche bei fremden Personen, die ja alle 14 Tage eine neue Umgebung und neue Bezugspersonen bedingten. Die Bedeutung weiterer Halbgeschwister war für das Kind noch nicht völlig nachvollziehbar.

Der Vater war schwer davon abzubringen, dass sein Sohn zu seinem Wohl in nächster Zeit nicht zwingend Kontakt zu seinen Halbgeschwistern haben müsse. Der Vater wertete die Kontakte als Erweiterung seines familiären Systems.

Letztendlich erfolgte eine pragmatische Empfehlung, dass der Vater mit seinem Sohn an seinen Wochenenden die Kontakte zu den Halbgeschwistern begrenzen sollte, auf die, die seinem Sohn bereits näher bekannt sind und zu denen er bereits eine zumindest randständige Beziehung aufgebaut hat.

Ob eine solche Regelung tatsächlich kindeswohlgemäß ist und wie stabil eine solche Regelung bleibt, ist dem Sachverständigen nicht bekannt.

Autor: Dr. Joseph Salzgeber, München

FF 9/2020, S. 363 - 364

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