BeurkG § 9 Abs. 1 S. 1 § 13 Abs. 1 § 16 Abs. 2 S. 2

Leitsatz

1. Zur Abgrenzung der Konstellation einer (ausnahmsweisen) notariellen Niederschrift in zwei gleichwertigen Sprachfassungen von der Konstellation, in der ausschließlich die deutsche Sprachfassung für die notarielle Niederschrift verbindlich ist, während der fremdsprachige Text eine – fakultative oder im Fall des § 16 Abs. 2 S. 2 BeurkG obligatorische – schriftliche Übersetzung darstellt, die der Niederschrift lediglich zu Beweiszwecken beigefügt wird. (Rn 23)

2. Werden solche Passagen einer notariellen Niederschrift, die nicht gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 BeurkG deren zwingender Bestandteil sind, sondern bloße Sollvorschriften des notariellen Verfahrensrechts umsetzen, gegenüber einem sprachkundigen Beteiligten nicht verlesen und gegenüber nicht sprachkundigen Beteiligten nicht mündlich übersetzt, führt dies zwar zu einem Verfahrensfehler im Beurkundungsverfahren, nicht aber zur Unwirksamkeit des Beurkundungsakts. (Rn 28)

BGH, Beschl. v. 20.3.2019 – XII ZB 310/18 (OLG Hamm, AG Lüdenscheid)

1 Gründe:

[1] A. Die Beteiligten streiten im Scheidungsverbund um einen Stufenantrag zum Zugewinnausgleich und die Wirksamkeit eines Ehevertrags.

[2] Der 1968 geborene Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) und die 1965 geborene Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) schlossen im Oktober 1995 die Ehe. Aus ihrer Verbindung sind vier gemeinsame Kinder hervorgegangen, ein bereits vor der Eheschließung im März 1995 geborener Sohn und drei in den Jahren 1997, 1998 und 2002 geborene Töchter. Der Ehemann hat die deutsche Staatsangehörigkeit. Er ist Geschäftsführer und Gesellschafter eines aus einem Familienbetrieb hervorgegangenen mittelständischen Unternehmens. Die Ehefrau ist britische Staatsangehörige. Sie hatte in England als ungelernte Buchhalterin im Unternehmen ihres Vaters gearbeitet und lebte nach ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik mit dem Ehemann zunächst in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen. Seit der Geburt des ersten Kindes und während der gesamten Ehezeit war die Ehefrau nicht erwerbstätig, sondern kümmerte sich um die Haushaltsführung und Kinderbetreuung.

[3] Im Vorfeld ihrer Eheschließung hatten die Beteiligten am 25.9.1995 einen notariell beurkundeten Ehevertrag geschlossen. In den Eingangsbemerkungen auf dem zweiten Blatt der deutschsprachigen Niederschrift finden sich die folgenden Feststellungen:

"Die Erschienene zu 2. erklärte, sie sei der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig. Die Erschienenen erklärten, sie seien damit einverstanden, dass der Notar den nachfolgenden Ehevertrag übersetze. Eine vorliegende schriftliche Übersetzung des Ehevertrages wurde den Beteiligten zur Durchsicht vorgelegt. Diese Übersetzung in englischer Sprache ist dieser Niederschrift als Anlage beigefügt. Der Notar wies darauf hin, dass auch ein Dolmetscher hinzugezogen werden könne oder eine gesonderte schriftliche Übersetzung verlangt werden könne. Die Vertragschließenden erklären, sie seien mit der Übersetzung durch den Notar einverstanden."

Der Notar verlas sodann den nachfolgenden Ehevertrag und die als Anlage dieser Niederschrift beigefügte englische Übersetzung, die beide von den Vertragschließenden genehmigt und unter der deutschen Fassung unterschrieben wurden.“

[4] In den danach folgenden ehevertraglichen Vereinbarungen war festgehalten, dass der gewöhnliche Aufenthalt und der Schwerpunkt der ehelichen Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland liegen und für die allgemeinen – insbesondere güterrechtlichen – Wirkungen der Ehe deutsches Recht gelten solle. In § 2 des Ehevertrags hoben die Beteiligten den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft auf und vereinbarten Gütertrennung. Nach § 3 des Ehevertrags sollten Zuwendungen eines Ehegatten an den anderen Ehegatten bei Scheidung der Ehe nur bei ausdrücklicher Vereinbarung zurückgefordert werden können. Die Bestimmung enthielt am Ende den folgenden Passus:

"Soweit wir im Laufe unserer Ehe aus unseren Einkünften Rücklagen bilden, sind wir darüber einig, dass dieses so gebildete Vermögen zu gleichen Anteilen jedem der Ehepartner (also je zur Hälfte) zusteht."

[5] In der englischsprachigen Übersetzung des Ehevertrags, welcher der notariellen Niederschrift als Anlage beigefügt wurde, war dieser Satz wie folgt übersetzt:

"New property we get in our marriage belongs us half."

[6] Durch § 4 des Ehevertrags wurde der Versorgungsausgleich ausgeschlossen; es sollten "für die Ehefrau … Beiträge zur Deutschen Rentenversicherung während der Ehe eingezahlt" werden. § 5 des Ehevertrags enthielt einen wechselseitigen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt einschließlich des Notunterhalts. Ausgenommen hiervon war der Fall, dass ein Ehegatte nach den gesetzlichen Vorschriften Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes verlangen könnte. Mit der Beendigung der Kindesbetreuung sollte der Unterhaltsverzicht wieder in Kraft treten; im Anschluss an die Kindesbetreuung sollte Unterhalt aus anderen gesetzlichen Gründen nicht mehr verlangt werden kön...

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