Das Ehe- und Familienbild des 19. Jahrhunderts war noch geprägt von der Vorstellung, dass das Zusammenleben der Eheleute von einem Gefüge tradierter unantastbarer sittlicher Vorgaben bestimmt wird, die der privatautonomen vertraglichen Gestaltung entzogen sind. Raum für vertragliche Gestaltungen verblieben nur dem sekundären Bereich der wirtschaftlichen Beziehungen der Eheleute,[1] z.B. dem güterrechtlichen oder unterhaltsrechtlichen Bereich.

Wesentliche Bedeutung hatten ehevertragliche Vereinbarungen als Scheidungsvereinbarungen im Rahmen von Ehescheidungen nach dem Verschuldensprinzip und den Vorschriften des Ehegesetzes. Am überholten Ehegesetz vorbei entwickelte sich, verstärkt durch die seit 1967 begonnenen Vorarbeiten zum neuen Scheidungsrecht, in der Praxis ein mehr oder weniger rechtswidriges Verfahren, sich die Aufgabe des Vetorechts des anderen Ehegatten gegen die Scheidung zu "erkaufen" gegen die Übernahme der Alleinschuld, die Verpflichtung zu hohen Unterhaltszahlungen und Vermögensausgleich, zum Teil auch gegen Aufgabe des Sorgerechts. Zu diesem Zweck wurden unter den anwaltlichen Vertretern der Parteien Scheidungsvereinbarungen ausgehandelt. Das Gros aller Scheidungen basierte auf diesem verdeckt praktizierten System einer Konventionalscheidung.

Der Ehevertrag in Form der Scheidungsvereinbarung diente als Werkzeug, um eine verdeckte Konventionalscheidung, die es von Gesetzes wegen nicht geben durfte, zu schaffen, quasi als Hebel zur Umgehung des Scheidungsrechts. Oder wie es Bull in seinem Beitrag in Zeit-Online vom März 1967 formulierte:

Zitat

"Die Konventionalscheidung muss hierzulande freilich verkleidet werden; träte sie unverhüllt auf, würden die Richter sie empört von sich weisen."

Der ursprüngliche, schon in der 1. Fassung des BGB[2] enthaltene § 1432 BGB lautete:

Zitat

"Die Ehegatten können ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch Vertrag (Ehevertrag) regeln, insbesondere auch nach der Eingehung der Ehe den Güterstand aufheben oder ändern."

Das Gleichberechtigungsgesetz vom 18.6.1957[3] hatte § 1432 BGB inhaltsgleich in § 1408 Abs. 1 BGB übernommen.

Im Ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14.6.1976[4] findet eine Entwicklung ihren Fortgang, den Eheleuten in weitem Umfang zu ermöglichen, ihre ehelichen Beziehungen einvernehmlich vertraglich auszugestalten. Neben den gesetzlichen Leitlinien der §§ 1353 ff. BGB und dem Grundsatz der Gleichberechtigung der Eheleute "kann der Pflichtenkreis der Ehegatten weitgehend selbst bestimmt werden."[5] Die Ehegatten sollen gehalten sein, sich "in allen wichtigen Angelegenheiten des ehelichen Lebens um eine Einigung zu bemühen."[6] Die Ehe als "Gefäß ohne Inhalt,"[7] das einen weiten Freiraum für eine privatautonome Ausgestaltung ermöglicht.

Eine große praktische Bedeutung hatten vor der Ehe abgeschlossene Eheverträge jedenfalls bis zum Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes nicht. Dem damaligen Rollenverständnis zwischen Eheleuten entsprach es, dass der Ehemann durch seine Erwerbsarbeit und die Verwaltung der Ersparnisse die wirtschaftliche Basis für die Familie sicherstellte, während die Ehefrau die Aufgabe der Haushaltsführung und Kindererziehung übernahm.[8] Dementsprechend waren auch die Befugnisse gesetzlich zugeteilt. Bis 31.3.1953 galt der Güterstand der Ehe männlicher Verwaltung und Nutzung, §§ 1363 bis 1425 BGB a.F.

Bereits mit der Einführung der Zugewinngemeinschaft als gesetzlicher Güterstand durch das Gleichberechtigungsgesetz 1957 ab 1.7.1958 entstand ein gesteigertes Bedürfnis nach ehevertraglichen Regelungen der güterrechtlichen Folgen, wenn die Ehe scheitern sollte.

Mit dem EheRG wurden umfassende Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt bei gleichzeitiger Abkehr vom Verschuldensprinzip der Scheidung geschaffen. Als zusätzliche Scheidungsfolge wurde der Versorgungsausgleich eingeführt, der die Geschiedenenwitwenrente ersetzte.

§ 1585c BGB a.F. und § 1408 Abs. 2 BGB a.F. ermöglichten ehevertragliche Vereinbarungen zu diesen Scheidungsfolgen.

Wegen der weitreichenden Konsequenzen solcher Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich war eine notarielle Beurkundung des ehelichen Vertrages notwendig, § 1410 BGB.

Das EheRG fügte § 1408 Abs. 2 BGB an, der regelt:

Zitat

"In einem Ehevertrag können die Ehegatten durch eine ausdrückliche Vereinbarung auch den Versorgungsausgleich ausschließen. Der Ausschluss ist unwirksam, wenn innerhalb eines Jahres nach Vertragsschluss Antrag auf Scheidung der Ehe gestellt wird."

Für den nachehelichen Unterhalt wurde in § 1585c BGB die Bestimmung des § 72 S. 1 EheG übernommen, dessen Sätze 2 und 3 jedoch nicht.

§ 72 EheG lautete:

Zitat

"Die Ehegatten können über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung der Ehe Vereinbarungen treffen. Ist eine Vereinbarung dieser Art vor Rechtskraft des Scheidungsurteils getroffen worden, so ist sie nicht schon deshalb nichtig, weil sie die Scheidung erleichtert oder ermöglicht hat. Sie ist jedoch nichtig, wenn die Ehegatten im Zusammenhang mit der Vereinbarung eine...

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