Erwartungsgemäß erklärte das BVerfG den Ausschluss der Lebenspartner von der Sukzessivadoption im Urteil vom 19.2.2013 für verfassungswidrig.[10] Der Senat berücksichtigt die Rechte der betroffenen Kinder, Lebenspartner sowie das Verhältnis von Ehe und Lebenspartnerschaft. Geprüft wird das Recht des Kindes gegen den Staat auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 2 GG), aufseiten der adoptionswilligen Lebenspartner das Elterngrundrecht (Art. 6 Abs. 2 GG) und das Familiengrundrecht (Art. 6 Abs. 1 GG) sowie der Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Sukzessivadoption für Ehepartner auf der einen Seite und Lebenspartner auf der anderen Seite.

Zunächst kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass das Recht des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG auf staatliche Gewährleistung elterlicher Sorge und Erziehung[11] durch den Ausschluss der Sukzessivadoption nicht verletzt wird. Dem Staat obliegen danach nicht nur Schutzpflichten im Rahmen seines Wächteramts bei der Erziehung, sondern auch die rechtliche Ermöglichung und Sicherung der "spezifisch elterlichen Hinwendung zu den Kindern".[12] Teil dieses subjektiven Gewährleistungsrechts des Kindes gegenüber dem Staat ist es auch, dass dieser Vorsorge dafür trifft, dass in Fällen, in denen die leiblichen Eltern sich nicht um ihr Kind kümmern wollen oder können, die elterliche Verantwortung von anderen Personen übernommen werden kann.[13] Dieses Recht sei zwar berührt, weil der adoptionswillige Lebenspartner nicht ohne entsprechende gesetzliche Regelung rechtlich abgesicherte Elternverantwortung tragen könne. Durch die Adoption des Kindes werden gemäß § 1755 BGB die verwandtschaftlichen Bindungen zu den leiblichen Eltern gelöst, so dass das Kind ohne die Sukzessivadoption dauerhaft nur einen Elternteil habe.[14] Gleichwohl seien die Rechte des Kindes nicht verletzt. Das Gericht führt aus, dass sich ein subjektives Abwehrrecht von einer sich aus einem Grundrecht ergebenden Schutzpflicht, wie sie hier vorliege, deutlich unterscheide. Schutzpflichten seien unbestimmt und der Gesetzgeber müsse in eigener Verantwortung im Rahmen seines Wertungs- und Gestaltungsspielraums entscheiden, wie er sie erfüllen wolle.[15] Diesen Spielraum habe der Gesetzgeber vorliegend nicht überschritten. Das Kind habe einen Elternteil im Rechtssinne und dem Lebenspartner kämen gewisse rudimentäre Rechte im Rahmen des "kleinen Sorgerechts" zu.[16]

Das Gericht verneint auch eine Verletzung des gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützten Elternrechts. Allerdings nimmt es an, dass, soweit sie die rechtliche Elternstellung innehaben, auch gleichgeschlechtlichen Personen ein verfassungsrechtlich geschütztes Elternrecht zukommt. Die Schutzbedürftigkeit des zum Wohle des Kindes gewährten Elternrechts hänge nicht vom Geschlecht der Eltern ab.[17] Auch der Wortlaut des Grundgesetzes stehe dem nicht entgegen, da dort von "Eltern", nicht von "Vater" und "Mutter" die Rede sei. Auch die Rechtsprechung des BVerfG, wonach die Tatsache, dass ein Kind nur von einem Elternpaar abstammen könne, darauf hinweise, dass der Verfassungsgeber auch nur einem Elternpaar das verfassungsrechtliche Elternrecht zuweisen wolle,[18] bedeute nicht, dass nur verschiedengeschlechtliche Eltern das verfassungsrechtliche Elternrecht besitzen könnten. Damit habe lediglich eine Begrenzung des Elternrechts auf zwei Personen stattfinden sollen, um Kompetenz- und Rollenkonflikte zu vermeiden.[19] Auch die Formulierung des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG vom "natürlichen" Recht der Eltern spreche nicht gegen eine Elternschaft eines gleichgeschlechtlichen Paares. Zwar seien Eltern zunächst die Personen, die dem Kind das Leben geben, jedoch bedeute dies nicht, dass nicht auch andere Personen als die biologischen Eltern die rechtliche und auch verfassungsrechtliche Elternstellung einnehmen könnten, wie dies bei Adoptionen und der rechtlichen Vaterschaft gemäß § 1592 Nr. 1 und Nr. 2 BGB der Fall sei.[20] Schließlich spreche auch die Tatsache, dass sich der historische Verfassungsgeber dies nicht habe vorstellen können, nicht dagegen, auch homosexuelle Partner als "Eltern" im Sinne des Grundgesetzes anzuerkennen. Die Grenzen der damaligen Vorstellungswelt, die durch Strafbarkeit und gesellschaftliche Ächtung der Homosexualität geprägt gewesen seien, seien nach und nach entfallen.[21]

Aus der Tatsache, dass Personen gleichen Geschlechts Eltern auch im verfassungsrechtlichen Sinne sein könnten, folge jedoch kein Anspruch auf Ermöglichung der Sukzessivadoption für den Lebenspartner.[22] Ein soziales Elternverhältnis begründe noch kein verfassungsrechtliches Elternrecht, sondern werde gegebenenfalls durch das Familiengrundrecht geschützt.[23]

Das Familiengrundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG schütze die dauerhafte, umfassende Gemeinschaft der gleichgeschlechtlichen Lebenspartner mit einem Kind auch dann, wenn eine rechtliche Elternbeziehung nur zu einem Partner b...

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