Bei aller Akzeptanz für Lebenspartner stellt das Urteil jedoch zutreffend die Rechte und das Wohl der betroffenen Kinder in den Mittelpunkt. Dies ist zu begrüßen. Kein Erwachsener hat ein Recht auf Kinder, sei er Ehegatte oder Lebenspartner. Daher muss bei jeder Adoption auch sorgfältig der individuelle Einzelfall geprüft werden. Eine Gefährdung des Kindeswohls war vorliegend nicht zu ersehen, überdies würden, wie das Gericht in Anlehnung an die Aussagen der Sachverständigen betont, solche Gefährdungen durch das Verbot der Sukzessivadoption nicht beseitigt, da die Kinder auch ohne eine Adoption weiter in ihrer sozialen Familie mit gleichgeschlechtlichen Eltern aufwachsen würden.[50] Da eine Adoption nach der Rechtsprechung des EGMR[51] nicht allein wegen der Homosexualität des Bewerbers abgelehnt werden darf, ließe sich, selbst wenn es gewünscht wäre, diese Situation auch nicht ausschließen. Der Effekt des Verbotes wäre lediglich, den betroffenen Kindern die Vorteile eines zweiten Elternteils zu nehmen. Dies kann, wie das Gericht feststellt, nicht richtig sein. Außerdem könnte das Kind die – angeblich zu seinem Schutz geschaffene Regelung – als Diskriminierung erleben:

Zitat

"Hingegen könnte das Kind die Verweigerung der rechtlichen Anerkennung seines Verhältnisses zum sozialen Elternteil als Abwehr und Ablehnung seiner Person und seiner Familie erleben."[52]

Von größtem Interesse ist nun das Problem der gemeinschaftlichen Adoption durch Lebenspartner.[53] Diese ist ihnen bisher im Gegensatz zu Ehegatten verwehrt.

Je nach Situation ermöglicht die Sukzessivadoption freilich in gewissen Grenzen bereits nach diesem Urteil eine gemeinschaftliche Adoption, wenn erst der eine und dann der andere Lebenspartner das Kind annimmt. Bereits nach der ersten Adoption entsteht allerdings, wenn das Adoptivelternteil in einer Lebenspartnerschaft lebt, eine Familie mit einem sozialen und einem rechtlichen Elternteil. Die Tatsache, dass ein Kind auch bei der Adoption durch eine Einzelperson nicht nur von dieser Person, sondern faktisch immer auch von deren Familie und persönlichem Umfeld angenommen wird, berücksichtigen die Adoptionsbehörden deshalb auch notwendigerweise bereits im ersten Adoptionsverfahren.

Das BVerfG musste sich mit der gemeinschaftlichen Adoption vorliegend (noch) nicht beschäftigen. In welchem Maße das Urteil eine Entscheidung über das Recht zur gemeinschaftlichen Adoption vorbestimmt, ist nicht ganz einfach zu beurteilen. Die Entscheidung stellt einen weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers hinsichtlich der Gestaltung des Familienlebens und des Rechts des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung fest. Möglicherweise wollte der hier einstimmig entscheidende Senat sich die Möglichkeit offenhalten, den Ausschluss der gemeinschaftlichen Adoption für Lebenspartner im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers anders zu beurteilen als den Ausschluss der Sukzessivadoption.

Anders als bei der Sukzessivadoption geht es bei der gemeinschaftlichen Adoption nicht darum, eine ohnehin bestehende soziale Elternstellung zum Wohle des Kindes auch rechtlich anzuerkennen. Vielmehr wird eine neue rechtliche und soziale Familie geschaffen. Bei der verfassungsrechtlichen Würdigung des Verbots der gemeinschaftlichen Adoption durch Lebenspartner muss daher gegebenenfalls (noch) bestehenden Unklarheiten hinsichtlich der Entwicklung von Kindern in Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern anderes Gewicht zukommen als bei der Entscheidung zur Sukzessivadoption. Angesichts des überragenden Werts des Kindeswohls könnten bereits Anhaltspunkte für eine schlechtere Entwicklung von Kindern mit gleichgeschlechtlichen Eltern die Ungleichbehandlung zwischen Ehepaaren und Lebenspartnern rechtfertigen.

Gleichwohl ist zu erwarten, dass das BVerfG über kurz oder lang auch den Ausschluss der gemeinsamen Adoption als eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung einschätzen wird, wenn ihm nicht der Gesetzgeber zuvorkommt.[54] Die bisher vorhandenen Daten sprechen dafür, dass sich Kinder in "Regenbogenfamilien" ebenso gut entwickeln wie ihre Altersgenossen.[55] Auch die befürchtete Diskriminierung der Kinder durch Gleichaltrige ist offenbar von deutlich geringerer Bedeutung als die Hänseleien, die alle Kinder aufgrund verschiedenster Gründe (Aussehen, mangelnde oder zu hohe Intelligenz, Verliebtheit oder Fehlen "angesagter" Kleidung) erfahren können, und wird, wenn sie geschieht, in der Familie offenbar gut verarbeitet.[56] Eine Prüfung der Eignung des adoptionswilligen Paares im Einzelfall ist ohnehin in jedem Fall erforderlich.

[50] So bereits Dethloff, FPR 2010, 208, 210.
[51] EGMR (E.B ./. Frankreich) NJW 2009, 3637; anders noch: EGMR (Fretté ./. Frankreich) FamRZ 2003, 149.
[52] BVerfG NJW 2013, 847, 853, Rn 83.
[53] Vgl. dazu ablehnend: Gärditz, JZ 2011, 930.
[54] Für eine Erlaubnis de lege ferenda: Dethloff, FPR 2010, 208, 210; vgl. auch Kreß, ZRP 2012, 234, 235 f.
[55] Vgl. Flaks/Ficher/Masterpasqua/Joseph, Lesbian...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge