Am 19.5.2013 ist das Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern in Kraft getreten.[1] Mit dieser Reform wurde zum einen die konventions- und verfassungswidrige Gesetzeslage[2] behoben und zum anderen die Übergangslösung des BVerfG[3] und die Regelung in Art. 224 § 2 Abs. 3–5 EGBGB[4] aufgehoben. Kernstück der Reform ist im materiellen Recht die Postulierung eines gesetzlichen Leitbilds der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern in § 1626a Abs. 2 S. 2 BGB und im Verfahrensrecht die Einführung eines vereinfachten Verfahrens nach § 155a Abs. 3 FamFG. Mit der nun vorliegenden Lösung, die als ein Kompromiss zwischen den im Vorfeld der Reform diskutierten Modellen zu verstehen ist,[5] bewegt sich der Gesetzgeber zwar im verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmen,[6] betritt jedoch mit dem vereinfachten Verfahren Neuland. Es überrascht daher nicht, dass die Ausgestaltung des vereinfachten Verfahrens einer der Hauptkritikpunkte an der Reform ist.[7] Tatsächlich wirft die Neuregelung des § 155a FamFG i.V.m. § 1626a Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 BGB eine Fülle von Fragen auf, die Gegenstand dieses Beitrags sind.

[1] Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern vom 16.4.2013, BGBl I, S. 795.
[2] EGMR NJW 2010, 501 (Zaunegger ./. Bundesrepublik Deutschland, Beschwerde Nr. 22028/04) = FamRZ 2010, 103 mit Anm. Henrich und Scherpe; BVerfGE 127, 132 = NJW 2010, 3008. Dazu auch BT-Drucks 17/11048, S. 11 f.; Coester, Sorgerechtliche Impulse aus Straßburg, NJW 2010, 482 ff.; Löhnig, Konsequenzen aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Sorgerecht des nicht mit der Kindesmutter verheirateten Vaters, FamRZ 2010, 338 ff.; Schumann, Elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern auf dem Prüfstand, FF 2010, 222 ff.
[4] Zur Aufhebung von Art. 224 § 2 Abs. 3–5 EGBGB (gerichtliche Ersetzung der Sorgeerklärung des anderen Elternteils in sog. Altfällen) BT-Drucks 17/11048, S. 24.
[5] Zu den im Vorfeld der Reform diskutierten Modellen: Coester, Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern, FamRZ 2012, 1337, 1338; Fink, Die Reform des Sorgerechts für nichteheliche Kinder aus verfassungsrechtlicher und rechtsvergleichender Perspektive, ZKJ 2011, 154, 157 ff.; Heiderhoff, Gemeinsame Sorge unverheirateter Eltern – wird endlich alles gut?, JZ 2013, 82, 83; Huber/Möll, Die elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern, FamRZ 2011, 765, 770 ff.; Löhnig, FamRZ 2010, 338, 339 ff.; ders., Lösungsmodelle für das Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern – Plädoyer für einen Perspektivenwechsel, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/Veit (Hrsg.), Reformbedarf im nichtehelichen Eltern-Kind-Verhältnis, 2012, S. 29, 30 ff.; Scherpe, Nichteheliche Kinder, elterliche Sorge und die Europäische Menschenrechtskonvention, RabelsZ 73 (2009), 935, 954 ff.; Schumann, FF 2010, 222, 226 ff.; Schweppe, Die Reform des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern – "Kleine Lösung", "Große Lösung" oder "Andere Lösung" – Ein Tagungsbericht, ZKJ 2011, 171 ff.; Schwonberg, Das Sorgerecht des nichtehelichen Vaters, FuR 2011, 125, 129 ff.
[6] Sowohl das BVerfG (NJW 2010, 3008, 3009 f.) als auch der EGMR (FamRZ 2010, 103, 105) hatten dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum zugebilligt.
[7] Zur Kritik aus dem Schrifttum: Coester, FamRZ 2012, 1337, 1341 f.; Fink/Bitter, Eine unendliche Geschichte – Kommt endlich eine verfassungsgemäße Reform des Sorgerechts für nichteheliche Kinder?, ZKJ 2012, 172, 173 f.; Huber/Antomo, Die Neuregelung der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern, FamRZ 2012, 1257, 1263 f.; Keuter, Vereinfachtes Verfahren zur Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge – ein Fremdkörper in Kindschaftssachen?, FamRZ 2012, 825, 826 f.; Salgo, Ein Zwischenruf zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern, FPR 2012, 409, 410; Willutzki, Das Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern, Das Ende einer – fast – unendlichen Geschichte, FPR 2013, 236, 238. Zur Kritik der Fachverbände etwa Kinderrechtekommission des Deutschen Familiengerichtstags e.V. und Wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht e.V., Stellungnahme zum Referentenentwurf (RefE) eines Gesetzes zur Reform des Sorgerechts vom 28.3.2012, ZKJ 2012, 263, 264, 266; Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Familienrechtsausschuss, Zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern, FF 2012, 222, 224 f. Weitere Nachweise bei MüKoFamFG/Schumann, 2. Aufl. 2013, § 155a Rn 3 Fn 14 f. Bedenken äußerte auch der Deutsche Bundesrat: BR-Drucks 465/1/12 (Empfehlungen der Ausschüsse); BR-Drucks 465/12 (Beschluss), S. 2 ff. = BT-Drucks 17/11048, S. 27 f. (Stellungnahme des Bundesrates).

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