Hat das Gericht im vereinfachten Verfahren durch Beschluss (§ 38 Abs. 1 S. 1 FamFG) die elterliche Sorge bzw. einen Teilbereich der elterlichen Sorge auf beide Eltern übertragen, so ist diese Endentscheidung mit der Beschwerde (§§ 58 ff. FamFG) anfechtbar. Hat der Antragsgegner in der ersten Instanz nicht (substantiiert) Stellung genommen, hat dies aufgrund der dem vereinfachten Verfahren zugrunde liegenden Vermutungsregel des § 1626a Abs. 2 S. 2 BGB zur Folge, dass eine Sachprüfung erst in der zweiten Instanz erfolgt, wenn erst jetzt eine substantiierte Stellungnahme abgegeben wird.[77]

Insgesamt sind drei Fallkonstellationen denkbar: (1) Der andere Elternteil legt Beschwerde ein und trägt (erneut) keine kindeswohlrelevanten Gründe im Sinne des § 1626a Abs. 2 S. 2 BGB vor. Da sich das Beschwerdeverfahren gemäß § 68 Abs. 3 S. 1 FamFG nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug bestimmt, kann auch das Beschwerdegericht im vereinfachten Verfahren (schriftliches Verfahren ohne persönliche Anhörung der Eltern und ohne Mitwirkung des Jugendamts) entscheiden, wenn der Vortrag ohne Relevanz im Hinblick auf das Kindeswohl ist und auch sonst keine Gründe ersichtlich sind, die einer gemeinsamen Sorge entgegenstehen. (2) Sofern das erstinstanzliche Gericht rechtsfehlerhaft im vereinfachten Verfahren entschieden hat, weil kindeswohlrelevante Gründe vorgetragen oder ersichtlich waren, aufgrund derer eine Überleitung in ein normales Sorgerechtsverfahren nach § 155a Abs. 4 FamFG erforderlich gewesen wäre, hat das Beschwerdegericht auf Antrag die Entscheidung aufzuheben und die Sache an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen (es liegt dann ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne des § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG vor);[78] das erstinstanzliche Gericht hat dann im normalen Sorgerechtsverfahren eine Entscheidung zu treffen. (3) Werden schließlich erst in der Beschwerdeinstanz substantiiert kindeswohlrelevante Gründe vorgetragen oder werden diese erst jetzt ersichtlich, so entscheidet das Gericht in der Sache selbst (§ 69 Abs. 1 S. 1 FamFG) im Rahmen eines normalen Sorgerechtsverfahrens.[79]

[77] Von Seiten des Bundesrats war daher im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens vorgeschlagen worden, eine Abhilfemöglichkeit durch das erstinstanzliche Gericht entgegen § 68 Abs. 1 S. 2 FamFG vorzusehen: Es erscheine "nicht sachgerecht, die Tatsachenermittlung in Abweichung von dem Verfahren in anderen Kindschaftssachen nahezu vollständig in die zweite Instanz zu verlagern". Dem Vorschlag ist die Bundesregierung vor allem deshalb nicht gefolgt, weil die "vorgeschlagene Abhilfemöglichkeit [ … ] zu einer wesentlichen Verfahrensverzögerung" geführt hätte; BT-Drucks 17/11048, S. 28, 31. Zu beachten ist weiter, dass nach § 1696 Abs. 1 S. 2 BGB eine spätere Änderung der gerichtlichen Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Abs. 2 BGB unter den Voraussetzungen des § 1671 Abs. 1 BGB erfolgt (insoweit gilt nun unabhängig von einer Formalisierung der Elternbeziehung ein einheitlicher Prüfungsmaßstab im Falle des Getrenntlebens der Eltern). Dazu insgesamt Heiß (Anm. 18), Rn 140 f.
[78] So auch Keuter, FamRZ 2012, 825, 827; Heilmann, NJW 2013, 1473, 1477.
[79] Die Kosten des Beschwerdeverfahrens können gemäß § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG nach billigem Ermessen auch bei Erfolg des Rechtsmittels dem Rechtsmittelführer auferlegt werden, wenn dieser trotz Aufforderung zur Stellungnahme ohne nachvollziehbare Gründe in der ersten Instanz geschwiegen und damit die Entscheidung im vereinfachten Verfahren veranlasst hat. Heilmann, NJW 2013, 1473, 1477 weist darauf hin, dass in diesem Fall die Rechtsverfolgung auch nach § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 S. 1 ZPO mutwillig sei und daher trotz Erfolgsaussicht des Rechtsmittels Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nicht zu bewilligen sei.

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