BGB § 1600 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5

Leitsatz

Die Anfechtung der Vaterschaft durch den sog. biologischen Vater nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB steht im Fall einer nicht erklärten Einwilligung des rechtlichen Vaters i.S.v. § 1600 Abs. 5 BGB grundsätzlich auch dem Samenspender offen.

BGH, Urt. v. 15.5.2013 – XII ZR 49/11 (OLG Köln, AG Köln)

1 Tatbestand:

[1] Die Parteien streiten um die Anfechtung und die Feststellung der Vaterschaft für den am 21.7.2008 geborenen Beklagten zu 2 (im Folgenden: das Kind). Das Kind war mittels einer Samenspende gezeugt worden, welche der Kläger der Mutter in einem Gefäß übergeben hatte und von dieser selbst eingeführt worden war.

[2] Der Kläger lebt ebenso wie die Mutter in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. Nachdem eine vom Kläger im Januar 2009 erklärte Anerkennung der Vaterschaft mangels Zustimmung der Mutter nicht wirksam geworden war, erkannte im März 2009 der Beklagte zu 1 mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft an. Der Kläger hat mit der im August 2009 eingereichten Klage die Vaterschaft des Beklagten zu 1 angefochten und die Feststellung seiner eigenen Vaterschaft beantragt. Zwischen den Parteien ist streitig, ob mit der Mutter und den jeweiligen Lebenspartnern vereinbart war, dass der Kläger die väterliche Verantwortung für das Kind habe übernehmen sollen oder ob von vornherein beabsichtigt war, dass das Kind von der Lebenspartnerin der Mutter als Stiefkind adoptiert werden sollte.

[3] Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht nach Einholung eines Abstammungsgutachtens festgestellt, dass nicht der Beklagte zu 1, sondern der Kläger der Vater des Kindes ist. Dagegen haben die Beklagten die zugelassene Revision eingelegt. Sie erstreben die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

2 Gründe:

[4] Die Revision hat keinen Erfolg.

[5] Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis 31.8.2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschl. v. 3.11.2010 – XII ZB 197/10, FamRZ 2011, 100 Rn 10).

I. [6] Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB bei verfassungskonformer Auslegung dieser Vorschrift ein Anfechtungsrecht bezüglich der Vaterschaft des Beklagten zu 1 zu. Nach der vom Kläger abgegebenen eidesstattlichen Versicherung habe dieser der Mutter wiederholt Samen zur Verfügung gestellt, damit die Mutter diesen in der Hoffnung, schwanger zu werden, einführen sollte. Dadurch sei die Voraussetzung einer Versicherung, der Mutter in der Empfängniszeit "beigewohnt" zu haben, erfüllt.

[7] Das Merkmal des Beiwohnens diene in erster Linie der Eingrenzung der Anfechtungsberechtigten auf diejenigen, die als biologische Väter in Betracht kämen. Dies sei bei der vorliegenden "Samenübertragung" ebenso der Fall wie bei unmittelbarem Geschlechtsverkehr. Auch im Rahmen der Vaterschaftsvermutung des § 1600d Abs. 2 BGB stünden beide Fälle gleich. Allerdings solle nach der Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages neben der Anfechtung "ins Blaue hinein" zugleich verhindert werden, dass ein samenspendender Dritter ein Anfechtungsrecht erhalte. Auch habe der Bundesgerichtshof in einem obiter dictum angemerkt, dass der bloße Samenspender nicht zur Anfechtung berechtigt sei, weil es regelmäßig nicht zutreffe, dass er der Mutter beigewohnt habe. Auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9.4.2003 dürfe die Anfechtung indessen im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen werden, weil sonst das verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht des biologischen Vaters verletzt würde.

[8] Soweit es dem Willen des Gesetzgebers entsprochen habe, den Samenspender vom Anfechtungsrecht auszuschließen, sei davon auszugehen, dass hierbei nur der "herkömmliche" Samenspender im Blickpunkt gestanden habe, der an einem den Regeln der Ärzteschaft entsprechenden Verfahren teilnehme, bei dem durch möglichst weitgehende Vereinbarungen und weitgehende Anonymisierung von vornherein die väterliche Verantwortung des Spenders ausgeschlossen und diejenige des sozialen Vaters begründet werde. Das erkläre sich daraus, dass verfassungsrechtliche Bedenken verneint worden seien, weil die erklärte Bereitschaft zur Teilnahme an einer Samenspende als konkludenter Verzicht auf die rechtliche Vaterschaft und damit auf ein entsprechendes Anfechtungsrecht zu deuten sei. Gleiches erschließe sich auch aus der Regelung in § 1600 Abs. 5 BGB.

[9] Im vorliegenden Fall seien dagegen keine rechtlich verbindlichen Absprachen getroffen worden. Vielmehr sei dem Kläger von der Mutter die Inanspruchnahme auf Unterhalt in Aussicht gestellt worden, wenn er nicht von der Durchsetzung von Vaterrechten absehe.

[10] Das Anfechtungsrecht allein von der Art der Samenübertragung abhängig zu machen, werde dem grundrechtlich geschützten Elternrecht des Klägers nicht gerecht. Wie auch ein Vergleich mit der homologen Insemination zeige, dürfe das Elternrecht des b...

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