Einführung

Mehr als drei Jahre nach dem Inkrafttreten der Unterhaltsrechtsreform am 1.1.2008 besteht durchaus Veranlassung, sich mit dem neuen § 1579 Nr. 2 BGB zu befassen.

I. Begründung des Gesetzgebers

Der Gesetzgeber hat einen neuen eigenständigen Verwirkungstatbestand geschaffen, um die Erscheinungsform des Zusammenlebens des/der Unterhaltsberechtigten mit einem/einer neuen Partner/Partnerin deutlicher als bisher objektiv erfassen und sanktionieren zu können. Die Einfügung eines neuen Härtegrundes ist mehr als eine Dekorationsfrage.[1] Der alte Auffangtatbestand des § 1579 Nr. 7 BGB ("ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die in Nr. 1–6 aufgeführten Gründe") sollte entlastet werden. Bis zum 31.12.2007 waren diese Fälle über den Auffangtatbestand des § 1579 Nr. 7 BGB gelöst worden, die Anlass zur Herausbildung einer überaus reichen, nicht mehr überschaubaren Kasuistik gegeben haben. Die Neuregelung sollte keine Änderungen bringen. Verbleibende, von der Neuregelung nicht erfasste Fallgruppen sollten wie bisher zu lösen sein. Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, diese Kriterien in das Gesetz selbst aufzunehmen.[2]

Folgende Umstände gibt die Gesetzesbegründung als maßgeblich für das Vorliegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft an:

über einen längeren Zeitraum gemeinsam geführter Haushalt,
Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit,
größere Investitionen, wie der Erwerb eines gemeinsamen Familienheims,
Dauer der Verbindung.

Keine Rolle spielen folgende Umstände in Form eines Negativkatalogs:

Leistungsfähigkeit des neuen Partners,
Aufnahme von intimen Beziehungen,
mögliches Eingehen einer Ehe- bzw. Lebenspartnerschaft.

Der neu geschaffene Härtegrund soll nicht zu einer Lebensführungskontrolle des geschiedenen Ehegatten führen.[3]

Entscheidend ist ausschließlich, dass der geschiedene Ehegatte, der eine neue Lebensgemeinschaft eingegangen ist, die sich verfestigt hat, sich damit endgültig aus der nachehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, dass er sie nicht mehr benötigt und demzufolge auf Unterhalt nicht angewiesen ist.

Die Einfügung des neuen Härtegrundes war nicht unumstritten. Insbesondere wollte der Bundesrat die neue Vorschrift als Nr. 7 eingefügt haben. Nr. 8 sollte den Auffangtatbestand bilden. Die Bundesregierung hatte sich auf den Standpunkt gestellt, mit dem § 1579 Nr. 2 sollte kein vorwerfbares Fehlverhalten sanktioniert werden, sondern eine rein objektive Veränderung in den Lebensverhältnissen des bedürftigen Ehegatten. Dies passt in der Tat besser zu der Nr. 1 "Verwirkung wegen kurzer Ehezeit". Man hat sich dann darauf verständigt, die ersten beiden Nummern als objektive Härtegründe zu qualifizieren, während sich die Nummern 3 bis 8 in der Reihenfolge nach hinten verschoben haben und diese dann tatsächlich vorwerfbares Fehlverhalten wie z.B. Anschwärzen beim Arbeitgeber, Umgangsvereitelung oder einseitiges schwerwiegendes Fehlverhalten gegen den Unterhaltsverpflichteten auch entsprechend ahnden können.

[1] Menne/Grundmann, Das neue Unterhaltsrecht, S. 68 ff.; Gerhardt, FuR 2005, 532; Menne, FF 2006, 182; Schnitzler, FamRZ 2006, 239.
[2] Hohloch, FF 2005, 221; Schnitzler, FPR 2008, 41 ff.
[3] BT-Drucks 16/1930 v. 15.6.2006.

II. Begriff der verfestigten Lebensgemeinschaft

§ 1579 Nr. 2 BGB gibt keine Definition vor, was unter einer verfestigten Lebensgemeinschaft zu verstehen ist.

Der Einzelfall muss vom Familiengericht entschieden werden.

Die Formulierung lehnt sich eng an die bisherige Rechtsprechung an, die natürlich weiter gilt. Rein freundschaftliche Beziehungen oder das solidarische Zusammenleben von Geschwistern oder von erwachsenen Kindern mit ihren Eltern sollen von einer verfestigten Partnerschaft abgegrenzt sein. Den Kritikern ist zuzustimmen, dass es sich um keine ideale Formulierung handelt.[4] Allerdings haben die Kritiker keine bessere Formulierung finden können, die auch nur ansatzweise den Tatbestand wiedergibt, z.B. Konkubinat oder sozioökonomische Lebensgemeinschaft oder interdependentes Beziehungsgeflecht. Im Übrigen ist auf die Rechtsprechung des BGH, allerdings auch auf die Formulierung in verschiedenen Urteilen des BVerfG Bezug genommen worden. Maßgeblich ist insofern auch, worauf insbesondere Klein zu Recht hingewiesen hat, § 7 Abs. 3 SGB II. Danach ist eine verfestigte Lebensgemeinschaft gegeben, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben, mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen jeweils zu verfügen.[5]

[4] Hohloch, FF 2005, 217; Schwab, FamRZ 2005, 1417.
[5] Klein, Das neue Unterhaltsrecht 2008, S. 157 f.

III. Leistungsfähigkeit des Partners

Nach der Gesetzesbegründung soll in dem neuen § 1579 Nr. 2 BGB die Leistungsfähigkeit des neuen Partners keine Rolle mehr spielen. Der brotlose Künstler oder wirtschaftlich schwache neue Partner soll bei der Billigkeitsprüfung unberücksichtigt bleiben.[6]

Die Herauslösung aus der Solidarität zwischen Unterhaltsberechtigten und Unterhaltsverpflichteten ist der Grund dafür, die verfestigte Lebensgemeinschaft als Anwen...

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