Die Entscheidung des OLG Frankfurt betrifft grundlegende Fragen zur Auslegung letztwilliger Verfügungen im Hinblick auf die Wechselbezüglichkeit sowie deren Reichweite.

Im Rahmen der Prüfung eines Herausgabeanspruchs nach § 2287 BGB analog hatte der 10. Zivilsenat die Frage zu beantworten, ob von der nach dem Tod des Erstversterbenden eingetretenen Bindungswirkung auch später von dem Längerlebenden anderweitig geerbtes Vermögen umfasst ist. Gleichzeitig war anhand der Formulierung des Testamentes zu klären, ob eine derartige Wechselbezüglichkeit als Voraussetzung für eine Bindung überhaupt gewollt war.

Konkret hatte die Erblasserin mit ihrem ersten Ehemann im Jahre 1958 im Rahmen eines klassischen Berliner Testaments in der Einheitsvariante die Schlusserbfolge dahingehend angeordnet, dass den beiden Kindern "dasjenige" anfallen solle, was beim Tod des Längstlebenden "noch vorhanden ist". Nach dem Tod des ersten Ehegatten im Jahre 1982 heiratete die Erblasserin ein weiteres Mal und beerbte ihren zweiten Ehemann Jahre später als Alleinerbin. Im Jahre 2013 übertrug sie ein aus dem Vermögen ihres zweiten Ehemannes stammendes Grundstück auf ihre Enkelin. Nach dem Tod der Erblasserin machte deren Tochter als Schlusserbin zu ½ die Übertragung des hälftigen Eigentumsanteils an diesem Grundstück nach § 2287 BGB analog geltend.

Das OLG Frankfurt wies die Berufung der Klägerin zurück und stütze sich wie schon zuvor das LG Frankfurt auf den Wortlaut des Testaments. Durch die Beschränkung der Schlusserben auf den "Rest" des beim Tod des Längstlebenden noch vorhandenen Vermögens hätten die Erblasser jegliche Beschränkung lebzeitiger Verfügungen und damit Ansprüche nach § 2287 BGB ausschließen wollen. Es liege daher – so der Senat – schon keine objektive Beeinträchtigung der Klägerin vor.

Unabhängig von der Frage, ob eine Einsetzung auf den "Überrest" stets einen Ausschluss des § 2287 BGB nach sich ziehe, seien die Umstände der Testamentserrichtung – insbesondere der Altersunterschied sowie der Wortlaut des notariellen Testaments – im zu entscheidenden Fall deutlich.

Selbst wenn man einen Ausschluss des § 2287 BGB nicht aufgrund des Wortlauts annehmen wolle, so wäre jedenfalls im Wege der ergänzenden Auslegung festzustellen, dass ein entsprechender Ausschluss jedenfalls für dasjenige Vermögen der Erblasserin vorliege, welches sie von ihrem zweiten Ehemann geerbt habe. Denn das Vermögen, was nicht aus demjenigen des Zuerstversterbenden komme, sei nicht vom Schutzzweck der Bindungswirkung des Ehegattentestamentes – des Übergangs des eigenen Vermögens auf den Schlusserben – erfasst.

Mit seiner Auslegung der "Überrest-Klausel" geht das OLG Frankfurt mit der wohl h.M. davon aus, dass der Längstlebende im Sinne eines sog. Schenkungsvorbehaltes ermächtigt werden kann, Schenkungen nicht nur wirksam vorzunehmen (§ 2286 BGB), sondern damit auch Ansprüche nach § 2287 BGB ausschließen kann.[1] Soweit es in der der bloßen Einsetzung auf das "Noch-Vorhandene" einen Ausschluss jeglicher Ansprüche nach § 2287 BGB erkennt, bewegt sich der 10. Senat in einem Spannungsverhältnis zu anderer obergerichtlicher Rechtsprechung und Stimmen im Schrifttum, wonach bei der Annahme eines Schenkungsvorbehaltes insofern ein strenger Maßstab anzulegen ist, als eine ausdrückliche Anordnung gefordert wird.[2] Jedenfalls geht der 10. Senat über die überwiegende obergerichtliche Judikatur hinaus, wonach zumindest im Testament ein konkreter Bezug auf eine "freie Verfügung" des Längstlebenden angenommen wurde.[3]

Darüber hinaus ist die Bestimmung der Reichweite der Bindungswirkung eines Ehegattentestamentes durch das OLG Frankfurt im Hinblick auf den sog. Hinzu–Erwerb bemerkenswert. Zwar ist im Hinblick auf die Wechselbezüglichkeit nach ergangener obergerichtlicher Rechtsprechung und Stimmen in der Literatur[4] grds. nicht nach der Herkunft des Vermögens zu differenzieren. So entschied bspw. der 31. Zivilsenat des OLG München,[5] dass die Wechselbezüglichkeit eines Ehegattentestamentes nicht deswegen entfalle, "weil der überlebende Ehegatte erhebliches Vermögen […] nach dem Tod des vorverstorbenen Ehegatten erhalten" habe. Jedoch könne im Wege einer ergänzenden Testamentsauslegung eine Abänderungsbefugnis in Bezug auf bestimmtes Vermögen festgestellt werden, sodass eine lebzeitige Verfügung nicht mehr über § 2287 BGB analog angegriffen werden könne.

Die Entscheidung des 10. Zivilsenats verdient im Ergebnis Zustimmung, wenngleich seine Begründung in mehrfacher Hinsicht insoweit zu kritisieren ist, als er den noch durch das OLG München betonten Ausnahmecharakter entsprechender Abänderungsbefugnisse nicht abbildet bzw. betont. Zum einen genügt die Auslegung der "Überrest–Klausel" durch das OLG Frankfurt angesichts des schutzwürdigen Vertrauens des Zuerstversterbenden, dass seine Verfügung nach seinem Tod zum gewünschten (wirtschaftlichen) Ergebnis führt (§ 2271 Abs. 2 S. 1 BGB), nicht dem strengen Maßstab eines Ausschlusses von Ansprüchen nach § 2287 BGB. Zum anderen gilt...

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