Vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip – eine säkulare Wende in der Familienrechtspolitik, die der Gesetzgeber trotz aller Widerstände mit dem 1. Eherechtsreformgesetz vom 14.6.1976, in Kraft seit 1.7.1977,[49] tatsächlich vollzogen hatte. Das deswegen sowohl im Rahmen von Vorlageverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG als auch im Rahmen diverser Verfassungsbeschwerden angerufene BVerfG hat nach 3-tägigen Verhandlungen am 28.2.1980 seine Entscheidung verkündet,[50] wonach es nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstößt, dass – erstens – Ehen gemäß § 1565 Abs. 1 BGB seit dem 1.7.1977 geschieden werden können, wenn sie gescheitert sind (Übergang vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip), dass – zweitens – das Scheitern der Ehe nach 3-jährigem Getrenntleben der Ehegatten gemäß § 1566 Abs. 2 BGB unwiderlegbar vermutet wird, dass – drittens – entsprechend der Härteregelung des § 1568 Abs. 2 BGB a.F. eine Ehe nach 5-jährigem Getrenntleben der Partner geschieden werden kann[51] und dass – viertens – der Gesetzgeber das neue Scheidungsrecht auch für Ehen eingeführt hat, die vor dem 1.7.1977 (sog. Altehen) geschlossen worden waren. Zwar sei das durch Art. 6 Abs. 1 GG vorgegebene Institut der Ehe, so das Gericht, die Vereinigung eines Mannes und einer Frau zu einer umfassenden, grundsätzlich unauflösbaren Lebensgemeinschaft. Gleichzeitig liege der Verfassung das Bild der "verweltlichten" bürgerlich-rechtlichen Ehe zugrunde, zu dem es auch gehöre, dass die Ehegatten unter den vom Gesetz normierten Voraussetzungen geschieden werden könnten und damit ihre Eheschließungsfreiheit wiedererlangten. Bei der Regelung der Voraussetzungen für die Eheauflösung habe der Gesetzgeber einen erheblichen Gestaltungsspielraum und sei insbesondere nicht gehindert gewesen, bei der Regelung der Scheidungsgründe auf der Grundlage der von ihm dazu angestellten Erwägungen vom Zerrüttungs- anstatt vom Verschuldensprinzip auszugehen.

Ebenfalls mit Urt. v. 28.2.1980[52] wurde dann vom BVerfG auch der neu eingeführte Versorgungsausgleich zwischen geschiedenen Ehegatten (§§ 1587, 1587 a BGB a.F.) "abgesegnet". Zwar unterlägen Versichertenrenten und Rentenanwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung dem Schutz des Art. 14 GG. Der Versorgungsausgleich sei jedoch als Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt und im Übrigen auch mit Art. 33 Abs. 5 GG (hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums) vereinbar. Allerdings wurde dem Gesetzgeber aufgegeben, die entsprechenden Bestimmungen durch Regelungen zu ergänzen, die es ermöglichten, nachträglich eintretenden grundrechtswidrigen Auswirkungen des Versorgungsausgleichs zu begegnen. Zu den Einzelheiten des Versorgungsausgleichs, insbesondere auch zum Versorgungsausgleichshärtengesetz vom 21.2.1983[53] und zum Versorgungsausgleichsgesetz vom 3.4.2009,[54] ist daraufhin eine Vielzahl weiterer Senatsentscheidungen[55] und vor allem auch Kammerbeschlüssen ergangen, die im Einzelnen hier darzustellen den Rahmen der vorliegenden Abhandlung sprengen würden.

Das durch das 1. EheRG geänderte, neue Unterhaltsrecht wurde nach den Übergangsvorschriften bei vor dem 1.7.1977 geschiedenen Ehen ausgeschlossen; diese Stichtagsregelung hat das BVerfG[56] in seiner ersten Senatsentscheidung zu dieser Materie als "Sache des Gesetzgebers" bezeichnet und im Übrigen als "sachlich vertretbar" eingestuft. 4 Jahre später wurde das BVerfG[57] dann grundsätzlicher und hat es danach für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt, dass die Regelungen des 1. EheRG über die Unterhaltsansprüche getrenntlebender und geschiedener Ehegatten grundsätzlich unabhängig vom Trennungsverschulden und Zerrüttungsverschulden gestaltet sind. Allerdings wurde die seinerzeitige Bestimmung des § 1579 Abs. 2 BGB, soweit danach die Anwendung der Härteklausel des § 1579 Abs. 1 BGB auch in besonders gelagerten Härtefällen ausgeschlossen ist, in Ansehung des Art. 2 Abs. 1 GG vom BVerfG beanstandet. Demgegenüber wurde der an den ehelichen Lebensverhältnissen ausgerichtete Aufstockungsunterhaltsanspruch eines erwerbstätigen geschiedenen Ehegatten nach § 1573 Abs. 2 BGB nicht als Grundrechtsverletzung gewertet; und der Gesetzgeber sei auch verfassungsrechtlich nicht gehindert gewesen, so das Gericht, das neue Unterhaltsrecht (genauso wie den Übergang vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip bei der Ehescheidung und die Regelungen über den Versorgungsausgleich) auch für Ehen einzuführen, die vor dem 1.7.1977 geschlossen worden waren. Auch an diese Grundsatzentscheidung schloss sich eine Fülle von weiteren Senatsentscheidungen[58] und Kammerbeschlüssen an, mit denen das BVerfG weiterhin zu Einzelregelungen des (neuen) Unterhaltsrechts, einschließlich derjenigen der Unterhaltsrechtsreform 2008, bzw. zu ihrer Anwendung durch die Fachgerichte Stellung nahm und die hier aus Platzgründen ebenfalls nicht im Einzelnen dargestellt werden können.

[49] Erstes Gesetz zur R...

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