Christian Grabow

Der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik am 3.10.1990 vollendete die staatliche Einheit Deutschlands. Mit ihr war die Rechtsangleichung verbunden. Im Wesentlichen kam auf dem Gebiet der ehemaligen DDR das Recht der Bundesrepublik zur Anwendung. Das galt auch für das Familienrecht.

Dennoch war es notwendig, einen interlokalen kollisionsrechtlichen Regelungsrahmen zu schaffen. Hierzu sah Art. 234 § 1 EGBGB vor, das 4. Buch des BGB auf alle familienrechtlichen Verhältnisse anzuwenden, die in der DDR nach dem Familiengesetzbuch (FGB) begründet waren.

Ein Rückblick auf 30 Jahre Rechtsvereinheitlichung im Familienrecht kann hier nur beispielhaft erfolgen.

Das FGB kannte für Ehescheidungen kein Trennungsjahr. War der Scheidungsantrag vor dem 3.10.1990 auf der Grundlage des FGB eingereicht, fand die mündliche Verhandlung jedoch erst danach statt und lebten die Eheleute noch kein Jahr getrennt, musste der Antrag zurückgenommen oder abgewiesen werden.

Der Versorgungsausgleich wurde in den neuen Ländern erst ab dem 1.1.1992 auf der Grundlage des Versorgungsausgleichsüberleitungsgesetzes eingeführt. Die unterschiedliche Bewertung der Rentenanwartschaften im alten und neuen Bundesgebiet führt bis heute zu abweichenden Ehezeitauskünften der Deutschen Rentenversicherung. Die Verschiedenheit zeigt sich in Entgeltpunkten und Entgeltpunkten (Ost). Erst mit der bis 2025 vorgesehenen vollständigen Rentenangleichung wird auf diesem Teilgebiet die Rechtsvereinheitlichung vollzogen.

Den unterschiedlichen wirtschaftlichen Bedingungen war die Praxis im Unterhaltsrecht geschuldet. Beim Kindesunterhalt galt in den östlichen Ländern und Berlin bis 2007 die Berliner Vortabelle zur Düsseldorfer Tabelle. Sie sah zwei Einkommensgruppen vor, die unter dem niedrigsten Einkommen der Düsseldorfer Tabelle lagen.

Auch im Ehegattenunterhalt spiegelten sich die zumeist niedrigeren Einkommen im Beitrittsgebiet wider. Sie führten dazu, dass bei Trennung und Scheidung der Ehegattenunterhalt zusätzlich zum Kindesunterhalt lange Zeit kaum eine Rolle spielte.

Anders war die Situation im Güterrecht. Hier kam den Übergangsvorschriften des EGBGB eine größere Bedeutung zu.

Für in der DDR geschlossene Ehen, die nach dem Beitritt geschieden wurden, galt bis dahin die eheliche Eigentums– und Vermögensgemeinschaft des FGB. Die Zugewinngemeinschaft begann erst am 3.10.1990. Von der Optionsmöglichkeit, weiterhin im Güterstand des FGB zu leben, wurde kaum Gebrauch gemacht.

In der güterrechtlichen Auseinandersetzung mussten zunächst Ansprüche nach den §§ 39, 40 FGB geprüft werden. Das Ergebnis ging in die Berechnung des Anfangsvermögens in der Zugewinngemeinschaft ein. Somit ist bis heute in einschlägigen Fällen eine zweistufige Berechnung erforderlich, wobei die Bedeutung dieser Verfahren ständig abnimmt.

Diese schlaglichtartige Betrachtung zeigt, dass die gesetzgeberische Vereinheitlichung auch im Familienrecht vor 30 Jahren vollzogen wurde. In der Rechtsanwendung spiegelte sich jedoch die unterschiedliche wirtschaftliche und häufig auch gesellschaftliche Entwicklung wider. Dabei sind Einflüsse der gelebten Familienpraxis in der DDR auf die familienrechtliche Entwicklung durchaus erkennbar. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an den höheren Anteil der Betreuung von Kindern in Kindertagesstätten sowie an die größere Akzeptanz der Erwerbstätigkeit von Müttern. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen für das Unterhaltsrecht insgesamt sind nicht zu übersehen.

Auch wenn weiterhin die Familienrechtspraxis in der Bundesrepublik regionale Unterschiede aufweist, ist die Rechtseinheit im Familienrecht in der Zwischenzeit gelebte Praxis.

Autor: Dr. Christian Grabow

Dr. Christian Grabow, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Familienrecht, Mediator, Ludwigslust

FF 6/2020, S. 221

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