Der 12. Zivilsenat des BGH beantwortet in dieser Entscheidung zwei grundsätzliche im Rahmen der Elternunterhaltsrechtsprechung bedeutsame Fragen:

Zum einen befasst sich der Beschluss in kurzer Folge ein zweites Mal mit dem Problem der Schenkungsrevokation zur Herstellung oder Verbesserung der Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes.

Zum anderen stellt der BGH fest, dass für die Berechnung des Elternunterhaltsanspruchs die von ihm in seinen Grundsatzentscheidungen vom 28.7.2010[1] und vom 5.2.2014[2] aufgestellte Methode (früher zu Unrecht als "Schwiegerkindrechtsprechung" gescholten) auch dann gilt, wenn beide Ehegatten zu Elternunterhalt herangezogen werden. Auch in dieser Konstellation sind also zunächst der individuelle Familienselbstbehalt zu ermitteln und dann der Anteil, den der Unterhaltspflichtige davon zu tragen hat, sodass sich der Unterhaltsanspruch in Höhe des dann noch gegebenen Einkommensüberhanges ableiten lässt.

Das Bemerkenswerte am Sachverhalt dieser Entscheidung ist, dass die zum Unterhalt für ihre – inzwischen verstorbene – Mutter herangezogene Ehefrau parallel zu ihrem Ehemann, der für seine ebenfalls während des Verfahrens verstorbene Mutter Unterhalt zahlen sollte, auf Elternunterhalt in Anspruch genommen wird. Beide Eheleute bezogen bereits Alterseinkünfte, der Ehemann eine Rente, die Ehefrau ein (höheres) Vorruhestandsgeld. Sie bewohnen eine 91 qm große Eigentumswohnung, die ursprünglich in ihrer beider hälftigem Miteigentum stand. Sie hatten die Wohnung jedoch im Oktober 2014 auf ihre gemeinsame Tochter übertragen und sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vorbehalten.

Bereits in seinem Beschl. v. 20.2.2019 – XII ZB 3674/18[3] hat der 12. Zivilsenat die Beschwerdeentscheidung des OLG Hamm in dem gegen den Ehemann gerichteten Unterhaltsverfahren bestätigt, das einen Schenkungsrückforderungsanspruch zwar grundsätzlich bejaht, aber die Verwertung des Vermögens für nicht zumutbar erachtet hatte. Das nahezu wortgleiche Ergebnis der Entscheidung des OLG Hamm auch in diesem Verfahren gegen die Ehefrau hielt der Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren ebenfalls stand. Der BGH führt hierzu in dogmatisch klarer Argumentationslinie aus:

Richtigerweise setzt sich das Einkommen der Ehefrau zusammen aus ihren Vorruhestandsbezügen und ihrem Wohnvorteil. Es ist unter Berücksichtigung der Einkünfte des Ehemannes, die sich aus seiner Altersrente und seinem Wohnvorteil zusammensetzen, der individuelle Familienselbstbehalt für beide zu ermitteln. Der BGH sieht keinen Anlass, von diesem Vorgehen abzuweichen, weil der individuelle Familienbedarf bei der Berechnung beider Elternunterhaltsansprüche jeweils unangetastet bleibe (Rn 16). Dabei berücksichtigt der BGH auch, wie schon mit Urt. v. 17.10.2012[4] entschieden, dass die Ehefrau sich noch einen Beitrag zur sekundären Altersvorsorge abziehen darf, weil sie die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht hat.

Daraus ergab sich ein einsetzbares Einkommen von rund 170 EUR bzw. 132 EUR monatlich. Der ungedeckte Teil an den Heimkosten der pflegebedürftigen Mutter war allerdings deutlich höher. Deshalb hatte der Sozialhilfeträger geltend gemacht, dass die Ehefrau – wie auch im vorherigen Verfahren schon der Ehemann – über Vermögen verfüge. Sie könne nämlich von der Tochter verlangen, dass die Schenkung in Teilleistungen rückgängig gemacht werde. Sie könne sich nicht darauf berufen, dass die Immobilie Schonvermögen sei, weil sie durch die Schenkung zu erkennen gegeben habe, dass sie diese nicht mehr benötige.

Eine Schenkungsrückforderung zur Erfüllung von Unterhaltspflichten gegenüber Dritten kommt jedoch nach Auffassung des BGH nur in Betracht, wenn dadurch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen erhöht werden kann bzw. durch die Schenkung die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit vermindert wurde. Diese Konstellation grenzt der BGH ab von dem bereits 2004 vom 10. Zivilsenat entschiedenen Fall, in dem die Schenkung zur Deckung des eigenen Bedarfs zurückgefordert werden muss: Zur Deckung seines Bedarfs muss der Schenker die zurückgeforderte Schenkung auch dann einsetzen, wenn sie sozialhilferechtlich gem. § 90 Abs. 2 SGB XII zu seinem Schonvermögen gehört hätte.[5]

Deshalb verneint der BGH hier das Bestehen eines Schenkungsrückforderungsanspruchs. Denn die Schenkung habe die Leistungsfähigkeit beider Miteigentümer nicht verändert. Die Nutzungsmöglichkeit habe vor der Schenkung bestanden und bestehe aufgrund des Nießbrauchs immer noch und sei auch als Wohnvorteil in die Ermittlung der Leistungsfähigkeit eingeflossen. Auch habe das OLG zutreffend hervorgehoben, dass sich die Tochter von dem Schenkungsrückforderungsanspruch in Form der Gewährung von Teilleistungen befreien könnte, indem sie die ganze Schenkung rückgängig macht.[6]

Auch die in früheren Fällen vom Sozialhilfeträger erdachte Konstruktion zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit, dass die Tochter ein zinsloses, erst nach ihrem Tod von ihren Erben rückzahlbares Darlehen des Sozialhilfeträgers in...

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