I. Einleitung

Mangels zivilrechtlicher Vorschriften zur Bewertung von Unternehmen kommt der Rechtsprechung zur Unternehmensbewertung eine überaus wichtige Bedeutung zu. Dies gilt nicht nur für das Familienrecht.

Während sich die Gerichte im Familienrecht jedoch eher auf grundsätzliche Ausführungen zur Unternehmensbewertung beschränken, werden in den Entscheidungen anderer Gerichte deutlich detailliertere Würdigungen vorgenommen. Neben der Eignung von bestimmten Bewertungsmethoden wird sich auch ausführlich den zur Ermittlung des Unternehmenswertes erforderlichen Parametern gewidmet. Führend bei der Rechtsprechung zur Unternehmensbewertung ist das Gesellschaftsrecht. Dies leuchtet insofern ein, dass dort auch die meisten Anknüpfungspunkte zur Unternehmensbewertung bestehen.

Ausgehend von den Entscheidungen im Familienrecht wird in diesem Beitrag ein Blick "über den Tellerrand" geworfen und mit der Rechtsprechung anderer Rechtsgebiete, insbesondere dem Gesellschaftsrecht, verglichen. Hierbei soll aufgezeigt werden, in welchen Bereichen eine grundsätzliche Übereinstimmung besteht und wo sich Unterschiede ergeben. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, ob bzw. wann eine Abweichung gerechtfertigt ist.

II. Bewertungsziele

In den hier untersuchten Bewertungsanlässen im Gesellschaftsrecht sowie im Familien- und Erbrecht hat die Rechtsprechung einheitlich den Verkehrswert des Unternehmens für maßgeblich erachtet.[1] Ziel der Bewertung sei es, den "vollen, wirklichen" Wert des Unternehmens zu ermitteln.[2] Der Verkehrswert lässt sich jedoch nur für vertretbare Sachen leicht feststellen, für die ein Marktpreis existiert. Für nicht börsennotierte Unternehmen gibt es einen solchen "quasi jederzeit und überall zu erzielenden Marktpreis" nicht.[3] Am Ende entscheiden deshalb Konventionen über die Ermittlung des Verkehrswerts, wie etwa die Bewertungsgrundsätze des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) und die von der Rechtsprechung in zahlreichen Entscheidungen niedergelegten Erkenntnisse.[4]

[3] Vgl. Schildbach, WPg 1983, 495.
[4] Für eine ausführliche Übersicht vgl. Hannes/König, in: Peemöller (Hrsg.), Praxishandbuch Unternehmensbewertung, 7. Aufl. 2019, Kap. 4, Teil C, Abschn. III.

III. Bewertungsmethoden in der Rechtsprechung

Bereits 1973 stellte der BGH fest, dass die Bewertung von Handelsunternehmen nicht unerhebliche Schwierigkeiten mit sich bringt.

Zitat

"Es gibt für Handelsunternehmen wegen ihrer individuellen Verschiedenheit keinen Markt, auf dem sich ein Preis bilden könnte. Es besteht auch keine einhellig gebilligte Bewertungsmethode."[5]

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist es Aufgabe des Tatrichters, im Einzelfall eine geeignete, mit den Gesetzen zu vereinbarende Bewertungsmethode "sachverhaltsspezifisch" auszuwählen und anzuwenden.[6] Dabei soll entscheidend sein, dass die jeweilige Methode in der Wirtschaftswissenschaft oder Betriebswirtschaftslehre anerkannt und in der Praxis gebräuchlich ist.[7]

Als anerkannt und gebräuchlich ist nach der Rechtsprechung nicht nur, aber jedenfalls auch, das anzusehen, was vom IDW in seinem Standard IDW S 1 ("Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen") und in sonstigen Verlautbarungen des Fachausschusses für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft vertreten werde.[8] "Dessen Verlautbarungen sind – wie die IDW-Standards und die sonstigen Verlautbarungen des Fachausschusses für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) – als anerkannte Expertenauffassung anzusehen und bilden eine Erkenntnisquelle für das methodisch zutreffende Vorgehen bei der Ermittlung von Unternehmenswerten."[9]

1. Gesellschaftsrecht

Während in den frühen 1970ern noch ein Bewertungsverfahren vorherrschend war, "das sowohl den Substanzwert (Reproduktionswert) wie den Ertragswert berücksichtigt und den End- oder Gesamtwert des Unternehmens auf dem Wege einer Verbindung beider Werte oder der Berichtigung des Substanzwerts nach Maßgabe der Ertragsfähigkeit des Unternehmens ermittelt", ist die ganz im Vordergrund stehende Bewertungsmethode in der Rechtsprechung heute die Ertragswertmethode.[10] Die Gerichte haben anerkannt, dass die Ertragswertmethode i.d.R. zu einem rechtsrichtigen Ergebnis führt, d.h. den Verkehrswert des Unternehmens richtig abbildet.[11] Nach dem Schleswig-Holsteinischen OLG ist das Ertragswertverfahren nach IDW S 1 "state of the art, und darin liegt der Grund, warum es maßgeblich sein muss."[12] Der Ertragswertmethode liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der Wert eines Unternehmens von seiner Fähigkeit bestimmt wird, seinem Eigner in Zukunft finanziellen Nutzen zu versch...

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