Während die Rechtsprechung im Gesellschaftsrecht sich dem Kapitalisierungszinssatz mittlerweile voll und ganz angenommen hat, bleibt dieser wichtige Parameter im Familienrecht weitestgehend unbeachtet. Dies führt in der Bewertungspraxis regelmäßig dazu, dass die Kapitalisierungszinssätze frei gegriffen, pauschal angesetzt und subjektiv bestimmt werden.

Die Höhe des Risikozuschlags hängt jedoch von den Verhältnissen des einzelnen Unternehmens bzw. der Branche ab. Er wird z.B. beim Lebensmittelhandel anders ausfallen als bei einem Unternehmen aus dem Technologiesektor oder einem Start-Up im Bereich der App-Entwicklung. Ebenso ist ein höher verschuldetes Unternehmen mit einem höheren Risiko belastet, da das Fremdkapital nicht an den Verlusten beteiligt ist. Daher ist auch der Einfluss der Kapitalstruktur bei der Ermittlung der Kapitalisierungszinssätze zu berücksichtigen. Auch wenn sich die Urteile im Gesellschaftsrecht primär auf börsennotierte Gesellschaften beziehen, sind die Grundsätze des IDW S 1 nach herrschender Meinung in der Betriebswirtschaftslehre[62] und der Rechtsprechung[63] auch auf KMU anzuwenden.

Pauschale Ansätze, die weder das unternehmensindividuelle operative Risiko noch das Kapitalstrukturrisiko sachgerecht berücksichtigen, werden diesen Anforderungen nicht gerecht. Vor dem Hintergrund der immensen Bedeutung für den Unternehmenswert wäre auch für Unternehmensbewertungen im Familienrecht eine ausführlichere Auseinandersetzung mit den einzelnen Parametern wünschenswert und würde das Vorgehen der Gerichtssachverständigen vereinheitlichen und pauschale Ansätze verhindern.

[62] Vgl. Ballwieser (et al.), WPg 2014, 470.
[63] Vgl. OLG Hamm v. 11.7.2012 – 8 U 192/08, juris, Rn 53; Brandenburgisches OLG v. 25.11.2009 – 7 U 19/04, juris, Rn 22.

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