Während in den frühen 1970ern noch ein Bewertungsverfahren vorherrschend war, "das sowohl den Substanzwert (Reproduktionswert) wie den Ertragswert berücksichtigt und den End- oder Gesamtwert des Unternehmens auf dem Wege einer Verbindung beider Werte oder der Berichtigung des Substanzwerts nach Maßgabe der Ertragsfähigkeit des Unternehmens ermittelt", ist die ganz im Vordergrund stehende Bewertungsmethode in der Rechtsprechung heute die Ertragswertmethode.[10] Die Gerichte haben anerkannt, dass die Ertragswertmethode i.d.R. zu einem rechtsrichtigen Ergebnis führt, d.h. den Verkehrswert des Unternehmens richtig abbildet.[11] Nach dem Schleswig-Holsteinischen OLG ist das Ertragswertverfahren nach IDW S 1 "state of the art, und darin liegt der Grund, warum es maßgeblich sein muss."[12] Der Ertragswertmethode liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der Wert eines Unternehmens von seiner Fähigkeit bestimmt wird, seinem Eigner in Zukunft finanziellen Nutzen zu verschaffen, d.h. Ertrag. Allerdings hat die Ertragswertmethode kein Exklusivrecht. Die Ertragswertmethode ist rechtlich zulässig, aber nicht in jedem Fall rechtlich geboten. Entscheidend ist, dass die jeweilige Methode in der Wirtschaftswissenschaft oder Betriebswirtschaftslehre anerkannt und in der Praxis gebräuchlich ist.[13] Nichtsdestotrotz ist eine praktische Vereinheitlichung auf die Ertragswertmethode beobachtbar.

Der Substanzwert hingegen stellt keinen brauchbaren Anhaltspunkt für den Unternehmenswert dar.[14] Die Anwendung der Substanzwertmethode wird bei erwerbswirtschaftlichen Unternehmen nicht nur in der Literatur kritisch gesehen, sondern auch von den Gerichten nahezu nicht mehr verwendet ("keine eigenständige Bedeutung").[15] Dies gilt auch für sog. Mischverfahren, die eine Kombination aus Substanz- und Ertragswert vorsehen. "Die früher anzutreffende Verbindung von Substanzwert (Reproduktionswert) und Ertragswert, wobei teils der eine, teils der andere Faktor hervorgehoben wurde, aber auch eine anteilige Mischung denkbar war, erscheint überholt".[16] Nach einer von 1960 bis 1970 dauernden Übergangsphase, in der Substanz- und Ertragswert als Bewertungskriterien herangezogen wurden, habe sich die Ertragswertmethode durchgesetzt.[17]

Der Liquidationswert stellt grundsätzlich die juristische Wertuntergrenze dar, jedoch mit Einschränkungen.[18] Während in der früheren Rechtsprechung der Liquidationswert stets die Wertuntergrenze verkörperte, wird in den Entscheidungen mittlerweile differenzierter vorgegangen. Besteht eine Pflicht zur Liquidation oder ist diese bereits beschlossen, ist der Liquidationswert anzusetzen.[19] Besteht hingegen die Absicht, das Unternehmen fortzuführen und erscheint dies nicht unvertretbar, stellt auch bei unrentablen, ertragsschwachen Unternehmen der Liquidationswert nicht zwingend die Wertuntergrenze dar.[20]

[11] St. Rspr.; vgl. bspw. jüngst OLG München v. 20.3.2019 – 31 Wx 185/17, juris, Rn 26; OLG Karlsruhe v. 18.5.2016 – 12a W 2/15, AG 2016, 672–675, Rn 30.
[12] Vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG v. 29.10.2018 – 16 U 69/18 (Kart), ZNER 2019, 41–46, Rn 11.
[14] Vgl. Piltz/Wissmann, NJW 1985, 2677.
[15] Vgl. OLG Düsseldorf v. 28.1.2009 – I-26 W 7/07 (AktE), AG 2009, 667–671, Rn 42. Dagegen hält das OLG Rostock v. 6.4.2016 – 1 U 131/13, BB 2017, 306, Rn 64 den Substanzwert für maßgeblich bei Unternehmen der Daseinsvorsorge, bei denen nicht finanzielle Ziele, sondern die Leistungserbringung vorrangig ist.
[18] Vgl. OLG Düsseldorf v. 2.4.1998 – 19 W 3/93 (AktE), DB 1998, 1454–1456, Rn 68 sowie v. 27.2.2004 – 19 W 3/00 (AktE), ZIP 2004, 753–760, Rn 55 ff.; OLG Celle v. 31.7.1998 – 9 W 128/97, NZG 1998, 987–990, Rn 42.
[19] Vgl. OLG Düsseldorf v. 29.7.2009 – I-26 W 1/08 (AktE), Der Konzern 2010, 73.

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