§ 1578 BGB bestimmt, dass sich der nacheheliche Unterhalt der Höhe nach grundsätzlich nach den ehelichen Lebensverhältnissen richtet. Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist aber gemäß § 1578b Abs. 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhalts auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erzeihung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen.

Diese gesetzlichen Regelungen dienen einerseits dem Grundgedanken, dass beide Ehegatten Anspruch auf Teilhabe an dem gemeinsam Erwirtschafteten haben; der Grund dafür liegt darin, dass die Leistungen beider Ehegatten während der Ehe (Berufstätigkeit, Haushaltsführung, Kindererziehung) als gleichwertig anzusehen sind. Andererseits bedeutet dieser Teilhabeanspruch aber nicht von vornherein eine Lebensstandardgarantie im Sinne einer zeitlich und der Höhe nach nicht begrenzbaren Teilhabe auch nach der Scheidung.[1]

Sowohl die Oberlandesgerichte als auch der Bundesgerichtshof[2] haben diese Vorgaben des Gesetzgebers in der Folge umgesetzt. In den Fällen, in denen eine dauerhafte Teilhabe des unterhaltsberechtigten Ehegatten an dem nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen Bedarf auch durch die nacheheliche Solidarität nicht gerechtfertigt ist, dieser Ehegatte aber durch die Gestaltung von Haushaltsführung oder Kindererziehung während der Ehe Nachteile in seinem beruflichen Fortkommen erlitten hat, ist diesem Ehegatten dieser Nachteil grundsätzlich auf Dauer auszugleichen.

Dabei errechnet sich der ehebedingte Nachteil aus der Differenz zwischen dem Einkommen, welches der Ehegatte tatsächlich erzielt bzw. unter Berücksichtigung seiner Erwerbsobliegenheit erzielen könnte, und dem Einkommen, welches dieser Ehegatte erzielen könnte, wenn man sich die Ehe hinweg denken würde. An einem konkreten Bespiel verdeutlicht:

 
Praxis-Beispiel

Die F erzielt bereinigte Einkünfte in Höhe von 1.200 EUR. Auf Grund der während der Ehe praktizierten Rollenverteilung hat die Ehefrau mehrere Jahre in ihrem ursprünglich erlernten Beruf ausgesetzt. Wenn Sie ununterbrochen in diesem Beruf tätig geblieben wäre, würden sich ihre Einkünfte heute auf 1.600 EUR belaufen. Ihr ehebedingter Nachteil beläuft sich also auf 400 EUR. Die Einkünfte des Ehemannes belaufen sich auf bereinigte 2.400 EUR.

In einem solchen Fall würde die Rechtsprechung regelmäßig zu dem Ergebnis kommen, dass der Ehemann für einen Übergangszeitraum den Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen in Höhe der hälftigen Differenz der Einkünfte, hier also 600 EUR, zahlen müsste; anschließend würde der Unterhaltsanspruch auf ihren angemessenen Bedarf, hier also 400 EUR herabgesetzt, eine Befristung dieses Unterhaltsanspruchs käme nur bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht.

Dieses Ergebnis wird allseits als angemessen betrachtet. Aus der Sicht des Unterhaltsberechtigten erfolgt ein Ausgleich der durch die Ehe bedingten Nachteile, er steht sich also genau so, wie er stehen würde, wenn man sich die Ehe hinweg denken würde.

Aus der Sicht des Unterhaltsverpflichteten mag dies auf den ersten Blick auch als angemessen erscheinen; möglicherweise freut er sich sogar, weil er 200 EUR weniger als die Hälfte der Differenz der Einkünfte zahlen muss – gegenüber der früheren Rechtsprechung, bei der selbst eine Herabsetzung des Aufstockungsunterhalts nur ausnahmsweise in Betracht kam, sicher ein Fortschritt für den Unterhaltsverpflichteten.

Diese Einschätzung des Unterhaltspflichtigen dürfte sich aber ändern, wenn man den Sachverhalt etwas präzisiert: Für die erste Überlegung sei unterstellt, dass der Unterhaltspflichtige am Ende der Ehe, also heute, genau das gleiche Einkommen erzielt, wie er bei Eheschließung erzielt hat, nämlich 2.400 EUR.

Betrachtet man jetzt die Unterhaltsverpflichtung aus der Sicht des Unterhaltspflichtigen, ergibt sich folgendes Bild: Der Unterhaltsberechtigte, der den ehebedingten Nachteil erlitten hat, erhält diesen ausgeglichen und er steht sich unter Berücksichtigung seiner eigenen Einkünfte von 1.200 EUR und der Unterhaltszahlung von 400 EUR genau so, wie er stehen würde, wenn man sich die Ehe hinweg denkt. Der Unterhaltspflichtige aber, der eigentlich gar keinen ehebedingten Nachteil erlitten hat, hat aufgrund der Ehe einen Nachteil von 400 EUR, den er nicht hätte, wenn man sich die Ehe hinweg denkt. Würde man sich nämlich bei ihm die Ehe hinweg denken, hätte er Einkünfte von 2.400 EUR – weil er aber verheiratet gewesen ist, zahlt er 400 EUR Unterhalt und hat selbst nur noch 2.000 EUR zur Verfügung: So wird aus dem vermeintlichen ehebedingten Nachteil des Unterhaltsberechtigten der ehebedingte Nachteil des Unterhaltspflichtigen.

Dieses Ergebnis ist offensichtlich nicht gerecht. Das doch wohl von der Rechtsprechung mit de...

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