Eine Grenzziehung für diese vorrangige Inanspruchnahme des Vermögensstammes des Unterhaltsberechtigten hat der Gesetzgeber in § 1577 Abs. 3 BGB vorgenommen, nämlich dann, wenn die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre.

Eine wörtlich entsprechende Formulierung findet sich in der korrespondierenden Schutzvorschrift des § 1581 S. 2 BGB auf Seiten des Unterhaltspflichtigen. Auch dieser braucht zur Erfüllung seiner Leistungspflicht gegenüber dem Unterhaltsberechtigten den Stamm seines Vermögens nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre. Daraus ist zu folgern, dass der Gesetzgeber diese Grenzziehung sowohl auf Seiten des Unterhaltspflichtigen als auch auf der des Unterhaltsberechtigten nach gleichen Maßstäben beurteilt sehen will.

Beide Begriffe sind ausfüllungsbedürftig und richten sich jeweils nach den besonderen Umständen des Einzelfalles, sodass sich hierzu eine – wenn auch noch nicht sehr reichhaltige – Kasuistik, vor allem in der älteren Rechtsprechung, entwickelt hat. Dabei fällt auf, dass die Problematik der Vermögensverwertung bisher eher in den Fällen gesehen wird, in denen die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners durch Heranziehung seines Vermögens angehoben werden soll, also im Bereich des § 1581 BGB.[6]

Soweit es dagegen die Heranziehung des Vermögensstammes des Unterhaltsberechtigten in Anwendung des § 1577 BGB betrifft, sind Rechtsprechung und Literatur eher zurückhaltend. Generell kann aber aus § 1577 Abs. 3 BGB gefolgert werden, dass eine Pflicht des Unterhaltsberechtigten zur Vermögensverwertung nur dann ausscheidet, wenn diese in keinem Verhältnis zu einem nur geringen erzielten Erlös stünde, im Ergebnis nur Verluste brächte[7] und der Unterhaltsberechtigte keine nachhaltige Unterhaltsbedarfsdeckung erreichen könnte.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Eine Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung wird allgemein dann angenommen, wenn der Unterhaltsberechtigte mit dem Vermögen die Basis für eine langfristige, zumindest teilweise Sicherung seines Lebensbedarfs aufgeben müsste.[8] Der Maßstab der Unwirtschaftlichkeit richtet sich nach Art und Größe des Vermögens. Ob man generell fordern kann, dass, je größer das Vermögen ist, desto eher eine Obliegenheit zur Verwertung in Betracht komme,[9] ist allerdings zweifelhaft und hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Denn bei größeren Vermögen war jedenfalls bisher die Wahrscheinlichkeit einer ertragsträchtigen Anlage groß. Vom unterhaltsberechtigten Vermögensinhaber kann daher in erster Linie als mildere Maßnahme eine Umschichtung in andere Vermögensanlagen, aber auch ein Verbrauch verlangt werden, wenn nur dieser zu einer echten Entlastung des Unterhaltspflichtigen führen würde. Die Umschichtung muss sich zudem eindeutig als wirtschaftlicher darstellen als die bisherige Anlageform.[10]

Zu den einzelnen Vermögensarten:

Handelt es sich um eine Immobilie, ist bei der Frage der Verwertungspflicht immer die längerfristige Marktsituation mit abzuwägen. Denn ist sie fremdvermietet – wozu der Unterhaltsberechtigte im Zweifel verpflichtet ist, wenn das Haus für seine aktuellen Wohnbedürfnisse zu groß ist – so sichern die Mieteinkünfte insbesondere nach den heutigen Verhältnissen auf dem Mietmarkt dem Unterhaltsberechtigten in der Regel einen festen Betrag für seinen Lebensunterhalt. Bewohnt er sie selbst, ist jedenfalls sein eigener Wohnbedarf gedeckt, wobei ggfs. eine Obliegenheit zur teilweisen Fremdvermietung besteht. In beiden Fällen und angesichts der heutigen Wohnmarktsituation dürfte der Verkauf einer Immobilie unwirtschaftlich sein, da ein Teil der langfristigen eigenen Unterhaltssicherung entfallen würde. Anders könnte es im Einzelfall sein, wenn es sich um ein so hochpreisiges Objekt handeln würde, dass der erzielbare Erlös im umgekehrten Verhältnis zum eigengenutzten Wohnwert stünde und der Unterhaltsberechtigte mit dem erzielten Kapital im Ergebnis seinen angemessenen Gesamtbedarf langfristig stillen könnte (Bsp. Villa bei München für 3-4 Millionen). Der Gesichtspunkt der Unwirtschaftlichkeit ist andererseits gegeben, wenn eine Immobilie nur unter Verlust verkauft werden könnte (vgl. den Fall der "Schrottimmobilien" im Osten nach der Wende).

Handelt es sich um Kapitalvermögen, kommt es ebenfalls auf die gegenwärtige Situation am Finanzmarkt an. In Zeiten, in denen es wie früher für bloße Spar- und Festgeldanlagen, Pfandbriefe oder andere festverzinsliche Papiere lukrative Zinseinnahmen von bis zu 10 % gab, konnte man argumentieren, dass deren Auflösung für den Berechtigten unwirtschaftlich sei, weil ihm die Basis für kontinuierliche Zinseinnahmen entzogen werde. Dass diese den gesamten Bedarf des Unterhaltsberechtigten abdecken müssten, ist bei der Abwägung nicht erforderlich, es genügt, wenn der Unterhaltsbedarf teilweise, allerdings merkbar, befri...

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