Interview mit dem Präsidenten des OLG Karlsruhe, Alexander Riedel

Alexander Riedel

Schnitzler/FF: Im Vorgespräch haben Sie mitgeteilt, dass Sie im Familienrecht längere Zeit tätig waren. Wenn ich richtig unterrichtet bin, führen Sie jedoch keinen Familiensenat in Karlsruhe wie z.B. Ihre Kollegin beim OLG Hamburg.

In welchem Zeitraum waren Sie im Familienrecht tätig?

Inwieweit war die Freundschaft zu Prof. Dr. Gerd Brudermüller ausschlaggebend für ein intensives Interesse auch am Familienrecht und am Familienverfahrensrecht?

Riedel: Ich war von 1988 bis 1992 als Familienrichter am Amtsgericht Karlsruhe tätig. Den Vorsitz des 2. Zivilsenats (Familiensenat) beim Oberlandesgericht Karlsruhe hatte ich von 1999 bis 2004 inne.

Prof. Dr. Gerd Brudermüller habe ich erst 1999 am Oberlandesgericht Karlsruhe kennengelernt. Er war ein beim Oberlandesgericht hoch geachteter Kollege, der, was viele nicht wissen, über den 15. Senat als Beisitzer auch lange Jahre im Zivilrecht tätig war. Wir alle haben von seinem exzellenten Wissen im Familienrecht partizipiert.

Im rechtspolitischen Bereich hat er für das Familienrecht über seine langjährige Funktion als Vorsitzender des Familiengerichtstags und die dadurch bestehenden Kontakte zum BMJ und zu anderen Institutionen immer wieder Impulse gesetzt, eher im Hintergrund, aber sehr effektiv.

Sein unerwarteter Tod war für uns alle und auch für mich persönlich ein großer Verlust.

Schnitzler/FF: Sie waren als Präsident mit der Nachbearbeitung der unfassbaren Fälle von sexualisierter Gewalt in Freiburg/Staufen befasst. Im letzten Jahr hat die vorige Bundesregierung das Gesetz zur Bekämpfung auf den Weg gebracht. Innerhalb dieses Gesetzes, das strafrechtliche Bereiche betrifft, ist im 2. Teil auch eine seit langem geforderte Qualifizierung von FamilienrichterInnen in 1. und 2. Instanz eingeführt worden. Die Vorschläge gehen weitgehend auf Bestrebungen der Vorsitzenden des Dt. Familiengerichtstages zurück – Professor Siegfried Willutzki, Prof. Dr. Gerd Brudermüller und Frau Prof. Dr. Isabell Götz. Sie alle haben maßgeblich die Qualifizierung der FamilienrichterInnen vorangetrieben. Auch im Hinblick auf die Initiative der Kinderrechtekommission mit Prof. Dr. Stefan Heilmann (OLG Frankfurt) ist ein Plädoyer für eine Qualitätsoffensive gestartet worden.

Sind Sie mit dem Gesetz, das zum 1.1.2022 in Kraft getreten ist, insgesamt zufrieden?

Riedel: Ein Wort zu Staufen: Man muss wissen, dass sowohl am Amtsgericht als auch am Oberlandesgericht langjährig erfahrene und auch geschulte Kolleginnen und Kollegen mit dem Fall befasst waren, weshalb die Frage der Fachqualifikation für die Aufarbeitung des Falles seitens des Oberlandesgerichts nicht im Vordergrund stand bzw. stehen konnte.

Dennoch ist durch diesen Fall zurecht die Fachqualifikation der Familienrichterinnen/Familienrichter von der Rechtspolitik als Thema aufgenommen worden, da es bisher doch eher dem Zufall überlassen blieb, in welchem Umfang sich die Kolleginnen und Kollegen im Familienbereich fortgebildet haben bzw. auf die Aufgabe vorbereitet wurden.

Die jetzt in § 23b Abs. 3 S. 2–4 GVG gefundene Regelung ist m.E. ein pragmatischer Kompromiss, der sich im Übrigen mit der in § 22 Abs. 6 GVG getroffenen Regelung für den Insolvenz- und Restrukturierungsbereich weitgehend deckt. Hier wie dort ist es doch so, so meine Erfahrung als Präsident eines großen Amtsgerichts, dass sich bei einer freiwerdenden Stelle in diesen Bereichen die Plankolleginnen/Plankollegen aus den anderen Fachbereichen nicht um die Übernahme “reißen', weshalb die Präsidien der Gerichte für die Besetzung auf Assessorinnen/Assessoren angewiesen sind. Deshalb habe ich mich schon im Rahmen der Treffen der Kinderschutzkommission gegenüber dem vormaligen Bundesbeauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Herrn Röhrig, dahin geäußert, dass seine Vorstellung, nur Planrichterinnen/Planrichter dürften im Familienbereich eingesetzt werden, sich nicht mit der Realität deckt. Insofern ist mit der jetzigen Bestimmung eine Regelung getroffen worden, die m.E. den Anforderungen, die sich aus der Aufarbeitung des Staufen-Falles ergeben haben, gerecht wird und auf jeden Fall zur weiteren Qualifizierung der Familienrichterinnen/Familienrichter, gerade in Kindschaftssachen, beitragen wird.

Schnitzler/FF: Inwieweit war die sehr kurze Übergangsfrist ausreichend, um einen einigermaßen vernünftigen Vorlauf für die Fortbildung der FamilienrichterInnen zu erzielen?

Riedel: Dass in Bezug auf den Familienbereich nach Staufen mit erweiterten Fortbildungspflichten zu rechnen ist, war den Landesjustizverwaltungen schon lange vor dem Inkrafttreten des Gesetzes bekannt. Insofern konnten die entsprechenden Fortbildungsangebote zeitig passend entwickelt werden.

Die sich anfänglich stellende Frage war, welche Zielgruppe damit erreicht werden soll. Dies waren und sind sicher die Kolleginnen/Kollegen, die frisch auf eine Familiengerichtsabteilung kommen. Auf diese Zielgruppe wurden die Fortbildungsprogramme der...

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