Abschreibung (Anspruchsverminderung durch Zeitablauf) bei "faktischen" Schwiegereltern

Finanzielle Ausgleichsansprüche wegen Zuwendungen und Schenkungen[19] werden i.d.R. durch die Trennung ausgelöst, welche die Geschäftsgrundlage entfallen lässt. Bis dahin wurde der Zweck der Zuwendung/Schenkung erreicht, was zu einer Reduzierung des Ausgleichsbetrages führt.[20] Nach bisheriger BGH-Rechtsprechung[21] konnte lediglich ex negativo davon ausgegangen werden, dass diesbezüglich keine Berechnungsart ausgeschlossen war, solange sie nicht in der Festlegung einer festen zeitlichen Obergrenze besteht, nicht einmal bei 20 Jahren oder ggf. mehr. Der XII. BGH-Senat hatte sich weitergehend noch nicht festlegen müssen.

Im Berichtsjahr ließ eine Entscheidung des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 18.6.2019 (X ZR 107/16)[22] aufhorchen.[23] Es ging um eine Immobilienschenkung von faktischen Schwiegereltern an das faktische Schwiegerkind.[24] Im Falle von deren Trennung soll das Rückforderungsrecht aus § 313 BGB im Regelfall bis zum Ablauf einer Zeitspanne von 2-3 Jahren (entsprechend § 1579 Nr. 1 BGB) in vollem Umfang, danach überhaupt nicht mehr geltend gemacht werden können.

Nachdem Rechtsstreitigkeiten zwischen nichtehelichen Lebenspartnern iRd. Geschäftsverteilung schon länger dem XII. BGH-Senat zugewiesen sind, galt dies zum Zeitpunkt der Entscheidung[25] für die Eltern – im Gegensatz zu "rechtlichen" Schwiegereltern – nicht. Dies folgt § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG. Der Arbeitskreis 5 des 23. Deutschen Familiengerichtstages hat unter der Leitung von Wever die Begründung der Zuständigkeit des Familiengerichts für Ansprüche zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft befürwortet.[26]

Eine gespaltene Zuständigkeit – je nachdem, ob "faktische" Schwiegereltern beteiligt sind oder "rechtliche" – war der Fortbildung des Rechts und der Einheitlichkeit der Rechtsprechung abträglich, da die gleichen Grundsatzfragen von verschiedenen Spruchkörpern zu entscheiden sind. Dies kann auch nicht im Interesse der beratenden Anwaltschaft sein. Die erforderliche Änderung der BGH-Geschäftsverteilung ist inzwischen – und zwar umgehend und noch während des laufenden Verfahrens – erfolgt.[27]

Die Tragweite der neuen BGH-Entscheidung ist gleichwohl noch nicht abzusehen. Je nachdem wie der XII. Senat sich positionieren wird kann es hier zu grundstürzenden Veränderungen kommen. Gelegenheit bzw. Erfordernis hierzu werden sich noch während des laufenden Streitverfahrens ergeben, evtl. zum Nachteil des zunächst obsiegenden Schwiegerkindes, wenn es aufgrund der neuen Geschäftsverteilung nicht beim Ergebnis des X Senats bleibt.

Der X. BGH-Senat hat entschieden, für die Geschäftsgrundlage komme es auf die "relevanten Vorstellungen der Vertragsparteien" an. Zu den Vorstellungen des Schenkers gehörten diejenigen über die Lebensgestaltung, hier: "die Vorstellung, dass das Grundstück dem Beschenkten zumindest für einen längeren Zeitraum zur Verfügung stehen wird". Dann erfolgt ein einschränkender gedanklicher Schritt zurück: nicht jede bei Vertragsschluss zutage tretende Vorstellung gehöre zur Geschäftsgrundlage des Vertrages. Vorstellungen zur möglichen Realisierung von Risiken, die in die Sphäre einer Partei fallen, beträfen den Inhalt des Vertrages, nicht seine Grundlage. Bis zur Grenze des groben Undanks habe danach der Schenker grundsätzlich das "Risiko" zu tragen, dass die künftige Lebensgestaltung des Beschenkten und sein Umgang mit dem Geschenk nicht den Vorstellungen entsprechen, die er mit dem Schenkungsversprechen verbunden hat. Nochmals: Dies sei, so der BGH, nicht Teil der Geschäftsgrundlage.

Aber, so der BGH weiter, es werde der Zuwendung von Grundeigentum regelmäßig die Vorstellung des Schenkers zugrunde liegen, die Wohnnutzung des Grundstücks werde jedenfalls von einiger Dauer sein. Typischerweise sei die beabsichtigte Langfristigkeit der Nutzung ein wesentlicher Beweggrund für die Zuwendung privaten Grundeigentums, und regelmäßig sei ohne weiteres die Annahme gerechtfertigt, der Schenker hätte den Geschäftswillen zur Zuwendung nicht entwickelt, hätte er gewusst, dass die (gemeinsame) Nutzung der Immobilie durch die Beschenkten nur kurzfristig sein werde. Insoweit geht es also, so der BGH, um den Geschäftswillen.

Der Schenker müsse aber ebenso regelmäßig damit rechnen, dass die "Ehe" seines Kindes mit dem mitbeschenkten "Ehegatten" nicht auf Lebenszeit Bestand hat und die gemeinsame Nutzung der Immobilie daher zu irgendeinem Zeitpunkt ihr Ende findet, und erst recht gelte dies für eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Ob und gegebenenfalls wann sich ein solches Risiko verwirklicht, sei für den Schenker selbst dann nicht vorhersehbar, wenn er besondere Umstände erkennt oder zu erkennen meint, die für oder gegen einen lebenslangen Bestand der Lebensgemeinschaft sprechen. "So wird sich regelmäßig schon nicht annehmen lassen, der Schenker hätte den Schenkungswillen nicht oder nicht in gleicher Höhe der Zuwendung entwickelt, wenn er g...

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