Der EGMR hat demgegenüber eine durch die angegriffenen Regelungen erfolgende Ungleichbehandlung von Vätern nichtehelicher Kinder gegenüber deren Müttern und gegenüber Vätern ehelicher Kinder festgestellt, sodass für ihn nun zu prüfen war, ob es hierfür Rechtfertigungsgründe gibt. Dabei hat er zunächst einmal konzediert, dass es angesichts der unterschiedlichen Lebenssituationen nichtehelicher Kinder und in Ermangelung einer gemeinsamen Sorgeerklärung gerechtfertigt sei, wenn das nationale Recht zum Schutze des Kindeswohls zunächst der Mutter die elterliche Sorge für das Kind zuweist.[43] Auch könnten Streitigkeiten oder mangelnde Kommunikation zwischen den Eltern das Kindeswohl gefährden, weshalb dem Vater die Teilhabe an der elterlichen Sorge versagt werden könne.[44] Jedoch sei nicht erwiesen, dass dies bei Beziehungen zwischen nicht miteinander verheirateter Elternteilen und ihrem Kind generell der Fall sei und eine gemeinsame Sorgetragung gegen den Willen der Mutter prima facie dem Kindeswohl widerspreche. Gemeinsamer Ausgangspunkt in den meisten europäischen Mitgliedstaaten sei es, dass bei Sorgerechtsübertragungen auf das Kindeswohl abzustellen sei und die Übertragung im Falle eines Konflikts zwischen den Eltern der Prüfung durch die innerstaatlichen Gerichte unterliegen sollte. Es überzeuge nicht, eine solche gerichtliche Überprüfung mit dem Argument abzulehnen, dies würde die Konflikte der Eltern nur schüren und dem Kind abträglich sein.[45] Denn der deutsche Gesetzgeber sehe eine solche gerichtliche Überprüfung jedenfalls dann vor, wenn eine gemeinsame Sorge der Eltern begründet worden ist und im Trennungsfall von einem Elternteil anstelle der gemeinsamen Sorge die alleinige Sorge für das Kind angestrebt werde. Der geringere Rechtsschutz eines Vaters, der die Vaterschaft anerkannt habe und die Sorge für sein Kind anstrebe, gegenüber einem Vater, der die gemeinsame Sorge innehatte und sie nun allein tragen wolle, sei nicht begründet. Der grundsätzliche Ausschluss einer gerichtlichen Prüfung der ursprünglichen Alleinsorge an die Mutter stehe deshalb nicht in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel, dem Schutz des Kindeswohls, und diskriminiere den Vater eines nichtehelichen Kindes gegenüber der Mutter und gegenüber Vätern ehelicher Kinder in konventionswidriger Weise.[46]

[43] EGMR Zaunegger ./. Deutschland (Fn 2), Ziff. 48.
[44] Ebd., Ziff. 56.
[45] Ebd., Ziff. 58 ff.
[46] Ebd., Ziff. 61 ff.

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