I. Einführung

1. Grundlagen

Zur Entwicklung und zur geänderten Rechtslage – mit dem Regel-Ausnahmen-Prinzip von Basisunterhalt für drei Jahre (§ 1570 Abs. 1 BGB) und den Verlängerungsmöglichkeiten aus kindbezogenen Gründen (§ 1570 Abs. 1 S. 2 BGB) und aus Gründen der nachehelichen Solidarität (§ 1570 Abs. 2 BGB) – wird auf die vor rund einem Jahr vorgelegte Untersuchung[1] verwiesen.

[1] Born, FF 2009, 92.

2. Unterhaltsrechtliche Leitlinien

Schon vor einem Jahr war festzustellen, dass die Mehrheit der Oberlandesgerichte dem Willen des Reformgesetzgebers Rechnung getragen und das bisherige "Altersphasenmodell" nicht mehr zur Auslegung der gesetzlichen Neuregelung herangezogen hatte; deshalb waren schon bisher in den Leitlinien der meisten Oberlandesgerichte[1]   keine festen Vorgaben enthalten. Hinsichtlich der Oberlandesgerichte Hamm, Dresden und Frankfurt a.M. gilt Folgendes:

a) Das OLG Hamm hat der aktuellen Rechtslage in seinen zum 1.1.2010 geänderten Leitlinien Rechnung getragen: Während in der früheren Fassung ein am Kindesalter orientiertes zeitliches Raster zugrunde gelegt wurde,[2] ist dieses Raster jetzt deutlich grober gefasst insofern, als nur noch in Bezug auf die Eckpunkte auf das Kindesalter abgestellt wird. In zeitlicher Hinsicht wird wie folgt unterschieden:

  • Nach dem dritten Lebensjahr des Kindes wird eine teilschichtige Tätigkeit geschuldet (konkreter Umfang je nach Vereinbarkeit von Fremdbetreuungszeiten mit Arbeitszeit inklusive Fahrzeit);
  • die Tätigkeit ist auszuweiten, soweit sich der (neben der Fremdbetreuung verbleibende) Betreuungsbedarf des Elternteils mindert bzw. das Kind nicht mehr lückenlos beaufsichtigt werden muss;
  • erst jenseits des zehnten Lebensjahres[3] des Kindes setzt grundsätzlich die Verpflichtung zu einer vollschichtigen Tätigkeit ein, wobei allerdings die Umstände des Einzelfalles entgegenstehen können.

In größerem Umfang abgestellt wird auf allgemeine Grundsätze wie folgt:

  • Nach Beendigung des dritten Lebensjahres des Kindes gibt es keinen abrupten Wechsel von einer Betreuungs- zu einer Berufstätigkeit; vielmehr ist diese Veränderung stufenweise vorzunehmen;
  • Billigkeitsgesichtspunkte im Einzelfall können sein

    • bestehende Möglichkeiten der Kindesbetreuung
    • Belange des Kindes (z.B. Fremdbetreuungsfähigkeit, physischer und psychischer Gesundheitszustand)
    • erfolgte bzw. geplante Rollenverteilung der Eltern in der Ehe
    • Dauer der Ehe
  • Zu berücksichtigen ist auch der Umfang der Belastung durch die neben der Erwerbstätigkeit verbleibende Kindesbetreuung (wesentlich: Alter und Anzahl der Kinder).

Die Darlegungs- und Beweislast hat derjenige, der das Bestehen einer Erwerbsobliegenheit in Abrede stellt. Dies gilt auch, wenn ein Titel abgeändert werden soll. Der Titel über Betreuungsunterhalt ist grundsätzlich nicht zu befristen.

b) Das OLG Dresden hat seine unterhaltsrechtlichen Leitlinien ebenfalls zum 1.1.2010 umgestaltet. Auch hier ist das zeitliche Raster grober gefasst worden:

  • Bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes besteht keine Erwerbsobliegenheit;
  • in der Zeit danach bestimmt sich die Erwerbsobliegenheit nach Maßgabe der Betreuungsbedürftigkeit und der zumutbaren Betreuungsmöglichkeit;
  • eine Verpflichtung zu einer Vollerwerbstätigkeit wird für den Regelfall mit der Vollendung des 14. Lebensjahres des betreuten Kindes angenommen. Bei mehreren Kindern ist eine Entscheidung im Einzelfall vorzunehmen.

Bedenken muss hier vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des BGH (s.u. unter II. 1) begegnen, dass die Verpflichtung zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit generell erst mit der Vollendung des 14. Lebensjahres des Kindes einsetzen soll.

c) Das OLG Frankfurt a.M. hat seine unterhaltsrechtlichen Leitlinien zum 1.1.2010 nicht geändert. Nach dem Stand 1.1.2009 wird wie folgt differenziert:

  • Nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes setzt die Erwerbsobliegenheit grundsätzlich ein; Art und Umfang sind an den Belangen des Kindes auszurichten.
  • Bis zur Beendigung der Grundschulzeit kann eine Vollzeiterwerbstätigkeit in der Regel nicht erwartet werden;
  • ein abrupter, übergangsloser Wechsel von elterlicher Betreuung zu Vollzeittätigkeit kann nicht verlangt werden;
  • für die Dauer der Verlängerung des Unterhaltsanspruchs nach § 1570 Abs. 2 BGB ist das Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Kindesbetreuung von Bedeutung. Dabei ist auch das Alter des betreuenden Ehegatten zu berücksichtigen. Maßgeblich für die Beurteilung ist auch die Zahl der zu betreuenden Kinder.
  • Der Betreuungsunterhalt ist in der Regel nicht zu befristen.

Die unterbliebene Aktualisierung der Leitlinien zum 1.1.2010 hängt hier vermutlich damit zusammen, dass in der bisherigen Fassung der Leitlinien kein enges zeitliches Raster verwendet wurde, so dass keine Notwendigkeit besteht, eine Anpassung unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung vorzunehmen.

[1] Brandenburg, Braunschweig, Bremen, Celle, Düsseldorf, Hamburg, KG, Koblenz, Köln, Naumburg, Oldenburg, Rostock, Schleswig, Süddeutsche Leitlinien ...

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