Es ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Tatsachengerichte im Sinne einer tatsächlichen Vermutung davon ausgehen, dass ein Familieneinkommen bis zur Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrags vollständig für den Lebensbedarf der Familie verwendet worden ist. Der Unterhaltsbedarf kann in diesem Fall ohne Darlegung der konkreten Einkommensverwendung nach der Einkommensquote bemessen werden.

Senatsbeschl. v. 15.11.2017 – XII ZB 503/16, BGHZ 217, 24 = FamRZ 2018, 260:

[Rn 16:] Der Bedarf bemisst sich beim nachehelichen Unterhalt gemäß § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen (vgl. Senatsurt. BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn 16 ff.). Die ehelichen Lebensverhältnisse richten sich wiederum vorwiegend nach dem vorhandenen Familieneinkommen. Der Unterhalt wird dementsprechend in der Praxis bei durchschnittlichen Einkommensverhältnissen in den weitaus meisten Fällen nach einer Quote des Gesamteinkommens der Ehegatten bemessen. Bei dieser Methode wird im Sinne einer tatsächlichen Vermutung davon ausgegangen, dass im Wesentlichen das gesamte Einkommen zu Konsumzwecken verbraucht wird. Dieses wird daher auch bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts nach dem Halbteilungsgrundsatz (für Einkommen aus Erwerbstätigkeit modifiziert um einen Erwerbsanreiz) im Ergebnis hälftig auf beide Ehegatten verteilt.

[Rn 17:] Die Annahme, dass das gesamte vorhandene Einkommen für den Lebensunterhalt der Ehegatten verwendet wird, ist bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen allerdings nicht mehr ohne weiteres gerechtfertigt. Vielmehr liegt in diesen Fällen die Vermutung nahe, dass ein Teil des Einkommens der Vermögensbildung zufließt. Da der Unterhalt allein dazu bestimmt ist, den laufenden Lebensbedarf abzudecken, muss der Unterhaltsberechtigte in solchen Fällen auf geeignete Weise vortragen, in welchem Umfang das Familieneinkommen für den Konsum verbraucht worden ist. Dieser Darlegungslast für seinen Unterhaltsbedarf kann der Unterhaltsberechtigte auf die Weise genügen, dass er den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 S. 1 BGB) konkret vorträgt (vgl. dazu Senatsurt. v. 30.11.2011 – XII ZR 34/09, FamRZ 2012, 947 Rn 35 f. und v. 10.11.2010 – XII ZR 197/08, FamRZ 2011, 192 Rn 26 ff.). Gleichwohl bleibt das Einkommen auch dann ein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Darlegung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Denn auch in diesen Fällen kann der Unterhaltsberechtigte seinen Bedarf im Wege der Quotenmethode ermitteln. Allerdings muss er dann mangels tatsächlicher Vermutung für den vollständigen Verbrauch der Einkünfte zu Konsumzwecken zusätzlich vortragen, dass und in welchem Umfang die hohen Einkünfte zur Deckung der ehelichen Lebensverhältnisse verwendet worden sind. Wenn der Unterhaltsschuldner dem substantiiert widerspricht, bleibt es bei der Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltsberechtigten auch für den vollständigen Verbrauch dieser Einkünfte zu Konsumzwecken. Soweit der Senat in diesen Fällen stets eine konkrete Darlegung des Unterhaltsbedarfs für notwendig erachtet hat (Senatsurt. v. 11.8.2010 – XII ZR 102/09, FamRZ 2010, 1637 Rn 28), hält er daran nicht fest.

[Rn 18:] Ab welchem Einkommen eine tatsächliche Vermutung für den vollständigen Verbrauch der Einkünfte zur Deckung des laufenden Lebensbedarfs entfällt, bleibt der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall vorbehalten. Feste Erfahrungssätze haben sich in der obergerichtlichen Praxis insoweit bislang nicht herausgebildet.

[Rn 19:] Teils wird bis zu einem Unterhaltsbedarf von 5.000 EUR (bzw. dem doppelten Einkommen nach dem höchsten Satz der Düsseldorfer Tabelle) eine Bemessung nach dem Quotenbedarf zugelassen (vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 2014, 216; OLG Köln FamRZ 2012, 1731; Nr. 15.3 der Leitlinien der Oberlandesgerichte Koblenz und Dresden 2017; so auch FA-FamR/Maier, 10. Aufl., 6. Kap. Rn 706; Wendl/Siebert, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl., § 4 Rn 766).

[Rn 20:] Teils wird auf den sich aus dem Einkommen der höchsten Einkommensgruppe nach der Düsseldorfer Tabelle ergebenden Quotenbedarf abgestellt, was der Senat als im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens liegend noch gebilligt hatte (vgl. Senatsurt. v. 11.8.2010 – XII ZR 102/09, FamRZ 2010, 1637 Rn 28; vgl. FA-FamR/Maier, 10. Aufl., 6. Kap. Rn 706; Borth, Praxis des Unterhaltsrechts, 3. Aufl., Rn 263).

[Rn 21:] Zur praktikablen Bewältigung des Massenphänomens Unterhalt ist es hingegen aus rechtsbeschwerderechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, wenn die Tatsachengerichte von einer tatsächlichen Vermutung für den vollständigen Verbrauch des Familieneinkommens ausgehen, wenn dieses das Doppelte des höchsten Einkommensbetrages der Düsseldorfer Tabelle nicht übersteigt. Soweit das Familieneinkommen über das Doppelte des höchsten Einkommensbetrages der Düsseldorfer Tabelle hinausgeht, hat der Unterhaltsberechtigte mithin, wenn er dennoch Unterhalt nach der ...

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