Der Anwalt wird sich darauf einstellen müssen, dass die Jugendämter vermehrt frühzeitiger als früher und zuweilen auch voreilig die Wegnahme eines Kindes nach § 1666 BGB anregen und die Gerichte diesen Anregungen häufig auch entsprechen werden. Als Organe der Rechtspflege sind sie gehalten, sich diesen Wegnahmen zu widersetzen, wenn sie zu weit gehen – sei es, weil das Kindeswohl in Wahrheit nicht gefährdet ist, sei es, weil eine Wegnahme nicht die ultima ratio ist, vielmehr mildere Maßnahmen geboten sind. Die Zeit, in der Anwälte sich nur relativ selten in Verfahren zu § 1666 BGB engagierten, sollte vorbei sein. Das "Feld" für solche Verfahren sollte nicht dem Verfahrenspfleger überlassen bleiben – auch wenn ein solcher in der Regel zu bestellen ist. Allerdings sollte ein Engagement in diesen existentiell gelagerten und meistens schwierigen und oft auch langwierigen Verfahren nicht honoriert werden auf der Basis eines Verfahrenswertes von lediglich 5.000 EUR.

Wenn der Anwalt einen Elternteil vertritt, dem ein Kind weggenommen wurde oder weggenommen werden soll, muss er den veränderten Tatbestandsmerkmalen des §1666 BGB Rechnung tragen. Zunächst muss er nachfragen, ob das Kindeswohl wirklich gefährdet ist.[19] Sodann muss er fragen, ob die Wegnahme des Kindes wirklich erforderlich ist. Nur im Rahmen dieser Fragestellung wird er prüfen müssen, ob und wieweit die Eltern versagt haben. Schließlich wird er fragen müssen, ob und welche milderen Maßnahmen zur Eindämmung der Gefährdung des Kindeswohls in Betracht kommen. – Derzeit wird er noch auf ein Weiteres achten müssen, nämlich ob die Vorboten des FamFG, sprich §§ 50a, e, f und § 52 Abs. 3 FGG auch befolgt werden.

[19] Zu dem nicht neu definierten Gefährdungsbegriff s. Coester, Göttinger Juristische Schriften, Bd. 4, s. 19 ff. Zu Kriterien der Kindeswohlgefährdung s. Röchling, FamRZ 2008, 1495.

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