Ein Kind hat einen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, dass seine Eltern Sorge für es tragen und der mit ihrem Elternrecht untrennbar verbundenen Pflicht auf Pflege und Erziehung ihres Kindes nachkommen. Allerdings dient ein Umgang mit dem Kind, der nur mit Zwangsmitteln gegen seinen umgangsunwilligen Elternteil durchgesetzt werden kann, in der Regel nicht dem Kindeswohl. Daher ist in solchen Fällen die Zwangsmittelvorschrift des § 33 FGG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass eine zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht zu unterbleiben hat. Anders liegt es, wenn es im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte gibt, die darauf schließen lassen, dass ein erzwungener Umgang dem Kindeswohl dienen wird. Dann kann der Umgang auch mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts.

Damit war die Verfassungsbeschwerde eines umgangsunwilligen Vaters, der durch Androhung eines Zwangsgeldes zum Umgang mit seinem Kind gezwungen werden sollte, erfolgreich. Die Sache wurde zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

I. Die Androhung des Zwangsgeldes zur Durchsetzung der Pflicht des Beschwerdeführers, mit seinem Kind gegen seinen Willen Umgang zu pflegen, greift in sein Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit ein. Entgegen seiner eigenen Einstellung wird er gezwungen, seinem Kind zu begegnen. Dies nimmt Einfluss auf sein persönliches Verhältnis zum Kind und setzt ihn unter Druck, sich seinem Kind gegenüber so zu verhalten, wie er es selbst nicht will. Gesetzliche Grundlage für die Zwangsgeldandrohung ist § 33 FGG. In die Prüfung, ob der durch die Androhung von Zwangsgeld erfolgte Grundrechtseingriff zu rechtfertigen ist, ist § 1684 Abs. 1 BGB, der die Eltern zum Umgang mit ihrem Kind verpflichtet, mit einzubeziehen.

II. Mit der Möglichkeit der Zwangsgeldandrohung gegenüber einem umgangsunwilligen Elternteil verfolgt der Gesetzgeber einen legitimen Zweck.

1. Die in § 1684 BGB gesetzlich statuierte Pflicht eines Elternteils zum Umgang mit seinem Kind ist eine zulässige Konkretisierung der den Eltern grundrechtlich zugewiesenen Verantwortung für ihr Kind. Art. 6 Abs. 2 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihres Kindes, macht diese Aufgabe aber zugleich auch zu einer ihnen zuvörderst obliegenden Pflicht. Die Pflicht der Eltern zur Pflege und Erziehung ihres Kindes besteht nicht allein gegenüber dem Staat, sondern auch ihrem Kind gegenüber. Mit dieser elterlichen Pflicht korrespondiert das Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern aus Art. 6 Abs. 2 GG. Recht und Pflicht sind vom Gesetzgeber näher auszugestalten. Da ein Umgang zwischen Eltern und Kind dem Wohl des Kindes und seiner Entwicklung grundsätzlich zugute kommt, hat der Gesetzgeber in § 1684 BGB die Eltern zum Umgang mit ihrem Kind verpflichtet und damit angemahnt, dass sie ihrer Verantwortung gegenüber dem Kind nachkommen.

2. Der mit der Verpflichtung eines Elternteils zum Umgang mit seinem Kind verbundene Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit ist wegen der den Eltern durch Art. 6 Abs. 2 GG auferlegten Verantwortung für ihr Kind und dessen Recht auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern gerechtfertigt. Wägt man das Interesse des Kindes an einem gedeihlichen Umgang mit seinen beiden Elternteilen mit dem Interesse eines Elternteils ab, mit dem Kind nicht in persönlichen Kontakt treten zu wollen, dann ist dem kindlichen Anliegen gegenüber dem elterlichen Wunsch ein erheblich größeres Gewicht beizumessen. Denn als gewichtige Basis für den Aufbau und Erhalt einer persönlichen familiären Beziehung ebenso wie für das Empfangen elterlicher Unterstützung und Erziehung ist der Umgang eines Kindes mit seinen Eltern für seine Persönlichkeitsentwicklung von maßgeblicher Bedeutung und trägt grundsätzlich zu seinem Wohle bei. Es ist einem Elternteil deshalb zumutbar, zum Umgang mit seinem Kind verpflichtet zu werden, wenn dies dem Kindeswohl dient.

III. Die Androhung der zwangsweisen Durchsetzung der Umgangspflicht eines Elternteils gegen dessen erklärten Willen ist jedoch regelmäßig nicht geeignet, den mit ihr verfolgten Zweck zu erreichen. Ein Umgang mit dem Kind, der nur mit Zwangsmitteln gegen seinen umgangsunwilligen Elternteil durchgesetzt werden kann, dient in der Regel nicht dem Kindeswohl. Insoweit ist der mit der gerichtlichen Zwangsmittelandrohung erfolgende Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit des Elternteils nicht gerechtfertigt, es sei denn, es gibt im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass ein erzwungener Umgang dem Kindeswohl dienen wird.

1. Die zwangsweise Durchsetzung des Umgangs, bei der von dem Elternteil nicht nur bloße Anwesenheit, sondern eine emotionale Zuwendung zum Kind erwartet wird, widerstrebt seinen Gefühlen, die er gegenüber dem Kind hegt. Ein solcher an den Tag gelegter Widerwille, verbun...

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